Flug in Die Nacht
herankamen.
Diese beiden Behälter waren keine Waffen, sondern Aufklärungssysteme in aerodynamischen Gehäusen, die an Zusatztanks von Jägern erinnerten. Der rechte Bombenschacht enthielt das Advanced Tactical Air Reconnaissance System (ATARS), das mit zwei elektronischen Kameras und einem IR-Scanner riesige Meeresgebiete auf einmal fotografieren konnte. An dem einen halben Meter längeren Hydraulikarm im linken Bombenschacht hing ein Behälter mit dem Radargerät UPD-9, das ihre Umgebung in fünfzig Seemeilen Umkreis in Radarbildern mit hoher Auflösung darstellte. Alle Aufnahmen wurden digitalisiert und über einen NIRTSat zur Andersen Air Force Base auf Guam übermittelt, um dort ausgewertet zu werden.
Obwohl diese Aufklärungssysteme unglaublich effektiv und verhältnismäßig klein waren, hatten sie einen entscheidenden Nachteil: Ihre Radarsignatur war einige tausendmal größer als die ihres Trägerflugzeugs B-2. Sobald sie ausgefahren waren, büßten Cobb und McLanahan den Schutz ihrer Tarnkappe ein – und es wurde wieder Zeit, sie erneut einzusetzen. »Behälter klar zum Ausfahren … «
Plötzlich erschien auf McLanahans SMFD nördlich vor ihnen eine gelbe Kuppel, die das B-2-Symbol fast berührte und damit anzeigte, daß sie sich am Rand des Erfassungsbereichs eines feindlichen Radars befanden. »Charlie-and-Radar …
Überwachungsradar Sea Eagle auf einer Fregatte oder einem Zerstörer«, berichtete McLanahan. »Wir sind fast in seinem Bereich – wenn wir die Behälter ausfahren, sind wir drin.«
»Bringen wir’s also hinter uns«, sagte Cobb. Das war einer der wenigen Sätze, die er auf diesem Flug bisher gesprochen hatte.
»Verstanden. Fahre Behälter aus … «
Sobald die Behälter ausgefahren waren, bewertete der Computer ihren Radarquerschnitt neu, maß nochmals die Sendeleistung des Radars Sea Eagle und vergrößerte die gelbe Kuppel, bis sie das B-2-Symbol am unteren Bildschirmrand überdeckte. Der Radarquerschnitt der beiden Behälter war so groß, daß sie nach McLanahans Schätzung mindestens fünf Minutenlang fliegen mußten, um aus dem Erfassungsbereich dieses Radars herauszukommen. »Überwachungsradar bei drei Uhr hat uns erfaßt … Entfernung vierzig Seemeilen.«
Während das UPD-9 seine erste Rundumaufnahme machte, zeigten sich weitere Einzelheiten ihrer Umgebung – darunter eine sehr unerfreuliche. »Schiffsziel, neun Uhr, zehn Meilen, vorerst kein Radar, sieht wie ein Vorpostenboot aus …
Scheiße, noch eines bei zwei Uhr, zwölf Meilen! Auf allen Seiten Vorpostenboote … « McLanahan fuhr die Behälter wieder ein, bevor eines der Boote die B-2 mit seinem Radar erfaßte.
»Achtung, Luftziel! Peilung eins-acht-acht Grad, Entfernung vierundsiebzig Kilometer … Höhe und Geschwindigkeit nicht feststellbar.., Zielsuchradar aktiviert … «
»Was? Stimmt das? Sofort den Kurs feststellen!« rief der Kommandant der Feylin.
»Kein Kurs feststellbar … das Ziel ist verschwunden, Genosse Kapitänleutnant. Kein Kontakt mehr.«
Der neue Radarkontakt gab dem Zerstörerkommandanten Rätsel auf, aber dabei mußte es sich um eine Anomalie oder ein sehr kleines Ziel wie einen Vogelschwarm gehandelt haben. Ihr eigentliches Ziel kam stetig näher. »Status der U-2?«
»Entfernung fünfundsiebzig Kilometer … jetzt.«
»Ausgezeichnet. Kaifeng und Zhangyhum sollen sich bereithalten … vorderes HQ-91-System mit zwei Raketen klar zum Schuß … Feuerleitradar klar zum Einschalten … Feuer!«
Auf diesen Befehl hin wurden vom Vorschiff des Zerstörers Feylin aus zwei Fla-Raketen HQ-91 auf das Spionageflugzeug U-2 abgeschossen. Die großen überschallschnellen Raketen erreichten binnen kürzester Zeit ihre Höchstgeschwindigkeit von über fünfundzwanzig Kilometern pro Minute.
Der Radarwarner zeigte keine neuen Emissionen an, aber sogar aus vierzig Seemeilen Entfernung waren die Feuerschweife der beiden Raketentriebwerke deutlich zu sehen. Die chinesischen Vorpostenschiffe wollten den Höhenaufklärer U-2 abschießen. Die vierzig Jahre alte U-2 war mit der neuen Luftbildkamera CA-990 ausgerüstet, die selbst bei großen Entfernungen noch scharfe Bilder lieferte. Aber um Davao aufnehmen zu können, mußte die U-2 möglichst nahe an die Küste und gefährlich nahe an die chinesischen Kriegsschiffe heranfliegen. McLanahan riskierte es, ihr Aufklärungssystem erneut auszufahren, um weitere Aufnahmen zu machen – und um das chinesische Schiff vielleicht von der verwundbaren U-2
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