Flug ins Feuer
er, der Sohn, der als Hauptfach Herumalbern gewählt hatte, der Klassenclown, der Typ, der in seinem ganzen Leben keine einzige ernsthafte Beziehung gehabt hatte außer der zu Griffin. »Ich kann euch nicht sagen, wo er ist. Ich habe es ihm versprochen.«
»Oh Brody...«
»Aber ich stehe in Verbindung mit ihm. Es geht ihm gut.«
Hoffte er. Herrgott, er hoffte es. In wenigen Stunden würde er nach San Diego zurückfliegen. Er wollte da sein, wenn Griffin am späten Abend oder frühen Morgen zurückkäme. Nicht, dass Griffin Wert darauf legte.
»Kannst du uns irgendetwas berichten? Was macht er? Warum ist er so lange weggeblieben... irgendetwas , Brody«, flüsterte seine Mutter. » Bitte.«
Er sah sie an, seine Eltern, die im letzten Jahr unglaublich gealtert waren. »Ich weiß nicht, was er die ganze Zeit über getan hat«, sagte er. »Einfach irgendwie vor sich hin gelebt, nehme ich an. Aber ich habe es geschafft, ihn zu überreden...« Er lachte unglücklich. »Genau genommen habe ich ihn so lange drangsaliert, bis er sich als Freiwilliger für Hope International zur Verfügung gestellt hat. Das ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die Freiwillige überall hinschickt, wo ihre besonderen Fähigkeiten gebraucht werden.«
Seine Mutter schnappte wieder nach Luft, presste die Hand an die Brust. »Und er ist zu einem Feuer gefahren?«
»Ja, er ist zu einem außer Kontrolle geraten Flächenbrand in Mexiko gefahren. Ich möchte da sein, wenn er zurückkommt.«
»Oh, mein Gott.« Seine Mutter stand auf und zog ihn auch hoch und umarmte ihn fest. »Oh, Brody. Du bist ein wundervoller Bruder.«
Brody ließ es geschehen und musste die Augen zusammenpressen. Er war kein wundervoller Bruder, er war nie ein wundervoller Bruder gewesen. Das war Griffin gewesen.
Aber dass sie dies dachte, fühlte sich... wirklich gut an. »Ich rede mit ihm und versuche ihn dazu zu bringen, euch anzurufen.«
»Ich liebe dich, Brody.«
Dessen war er sich aufrichtig bewusst. Aber zum ersten Mal wollte er dieser Liebe auch gerecht werden.
Viel später, kurz bevor er sein Elternhaus verließ, um zum Flugplatz zu fahren, und als er sich immer noch in dem warmen »wundervoller Bruder« sonnte, rief er sein eigenes Handy an. Die Ansage für die Mailbox war geändert worden.
»Brody«, hörte er Griffins Stimme. »Denk nicht einmal daran, mir eine Nachricht zu hinterlassen und mich zu fragen, wie es mir geht, weil ich es dir jetzt sage. Erinnerst du dich noch daran, wie du auf diesen Baum geklettert bist vor Tante Gails Haus? Du bist ausgerutscht und gefallen, aber ein Ast hat dich aufgehalten, und dann hingst du dort über eine Stunde mit dem Kopf nach unten, blutend und schreiend, bevor jemand dich gerettet hat. Erinnerst du dich daran, Brody? Erinnerst du dich an das Gefühl? So geht es mir. Ich hänge durch. Im Wortsinn. Und jetzt verschwinde. Verschwinde weit, weit weg.«
»Tut mir Leid«, sagte Brody bedauernd. »Geht nicht.«
Griffin stützte sich auf seine Schaufel und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Dreimal hatte
ihn der zunehmende Wind am Vormittag gezwungen, die Mannschaft zurückzurufen und neu zu positionieren. Ihre einzige Rettung blieben der Fluss und die Felswand. Sie mussten sie nur so effektiv wie möglich nutzen und beten, dass das Wetter mitspielte. Wenn das der Fall wäre, würden sie das Feuer vielleicht in Schach halten können.
Die Traktoren waren im Gebirge kaum zu benutzen, aber sie schafften es irgendwie doch, und jeder zog dicke, schwere Reifen hinter sich her und fegte damit wirkungsvoll die abgestorbenen Piniennadeln und kleinen Zweige weg, so dass eine verdammt gute Brandschneise entstand.
Er selbst harkte bereits seit Stunden abgestorbenes und extrem entzündliches Pflanzenmaterial fort, und sein Magen revoltierte immer noch. Im Moment hatten sie das Feuer im Rücken und arbeiteten daran, den Flammen jegliche Nahrung zu nehmen in der Hoffnung, das rote Ungeheuer damit zu fangen.
Ein heißer, heftiger Windstoß traf ihn, dann ein weiterer, und ihm sank der Mut. Der Wetterbericht, den Tom mitgebracht hatte, hatte beständiges Wetter und wenig Wind vorhergesagt.
Aber es schien anders zu sein. Wenn sie nicht vorsichtig wären, würde das Feuer auch diese letzte Brandschneise überspringen und sich nach Süden ausbreiten, direkt auf die Stadt zu, ganz zu schweigen von dem nach Norden in die Berge sich ausbreitenden Feuer.
Griffin hob den Kopf, suchte sofort die Umgebung ab und
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