Flug ins Feuer
dich tatsächlich entspannen.« Sams lange Beine erschienen an ihrer Seite. »Davon sollte ich ein Foto machen«, sagte er. »Nein, warte, streichen wir das mit dem Foto.« Er hockte sich neben sie und lächelte sie an. »Weil du die einzige Person bist, die ich kenne, die mit so finsterer Miene abschlaffen kann.« Er streckte seinen schlaksigen Körper neben ihr aus. »Mann, tut das gut. Ich hätte Strandfaulenzer werden sollen.«
Mit seinen schulterlangen, sonnengebleichten blonden Haaren und dem schlaksigen Körperbau, der ihn mit seinen fünfunddreißig Jahren glatt zehn Jahre jünger aussehen ließ, hätte er einen guten Strandfaulenzer abgegeben. Außerdem hatte sie einmal beobachtet, wie er nach einem langen Bürotag gesurft hatte. Er fühlte sich ausgesprochen zu Hause in den Wellen. Genau genommen wirkte er so, als fühlte er sich überall zu Hause.
Ein Kunststück, das ihr nie gelungen war. Aber schließlich war sie auch nicht zum Nichtstun und mit einem silbernen Teelöffel im Mund und so viel Familie geboren worden, dass sie nicht gewusst hätte, was sie damit anfangen sollte.
Sam hatte noch nicht viele Höhen und Tiefen durchgemacht in seinem Leben, aber er war einer dieser erstaunlich wohlsituierten Menschen, die einfach gerne zurückgaben. Und das tat er mit Zins und Zinseszins. Er steckte alles in Hope International und nahm sich im Gegenzug nicht mehr als die Freiheit, hin und wieder eine Stunde zu surfen, wenn ihm danach war.
Sie wünschte sich, dass ihr Leben auch so einfach wäre.
»Was ist es?« Er legte den Kopf schief. »Was macht dich so traurig?«
»Bin ich nicht.«
»Na ja, irgendetwas ist mit dir.« Er stupste ihre Schulter leicht mit seiner Schulter an. »Etwas ist mit dir, seit du vor zwei Tagen aus Mexiko zurückgekommen bist. Was ist da unten passiert?«
»Nichts.«
»Aha.« Er beäugte sie. »So viel Abwehrhaltung habe ich lange nicht erlebt. Hattest du Probleme mit dem Freiwilligen, den du dort hinuntergeflogen hast?«
Sie starrte in die Wellen. Sie waren sehr gut heute, ein bis anderthalb Meter hoch.
»Dieser Firefighter … Griffin Moore, richtig?«
Griffin tauchte vor Lyndies Augen auf: groß, herrlich und gequält. »Ich kann mich durchaus an seinen Namen erinnern.«
Sam umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Ist er zudringlich geworden?«
»Du weißt, dass ich jedem problemlos in die Eier treten könnte, wenn es dazu kommt.«
»Ist es dazu gekommen?«
»Nein.«
Sam entspannte sich wieder etwas, aber er musterte sie
immer noch aufmerksam. »Ich hatte dich eingeplant, um einen Zahnarzt nach San Puebla zu fliegen, aber er hat es auf nächste Woche verschoben. Jetzt habe ich dich morgen eingeplant für einen Flug mit einem Kinderarzt und einem Optiker nach Baja. Und dann musst du noch einmal nach San Puebla.«
»Mit Lebensmitteln?«
»Auch, ja. Das Feuer ist immer noch unter Kontrolle, aber es gibt Probleme mit dem Wetter. Sie gehen davon aus, dass sie morgen Schwierigkeiten bekommen, wenn der vorhergesagte Sturm aufzieht.«
Sie wusste dies bereits. Sie rief Tom jeden Tag an, um nachzufragen. »Fein.«
»Der Typ fliegt wieder mit. Er hat mehrere Male angerufen und sich nach dem Zustand des Feuers erkundigt. Als ihm klar wurde, dass sie Hilfe beim Bekämpfen brauchen, hat er versprochen, zurückzukommen.«
Sie starrte in die Wellen. Griffin hatte also angeboten, zurückzukommen. Was bedeutete, dass sie ihn wiedersah. Na und? Vielleicht waren sie sich ein wenig näher gekommen als beabsichtigt, aber das war schließlich kein Wunder bei der Situation, in der sie sich befanden hatten. Wann immer Adrenalin, Abenteuer und Gefahr zusammenkamen, gerieten die Dinge schnell außer Kontrolle.
Und die Dinge waren schnell außer Kontrolle geraten.
Aber sie waren erwachsen. Sie konnten damit umgehen.
Herrgott, sie hoffte, dass sie damit umgehen konnte.
Sam sah sie immer noch an. »Willst du mir sagen, was los ist?«
»Davon ist in meiner Arbeitsplatzbeschreibung keine Rede.«
»Scheiß auf die Arbeitsplatzbeschreibung, Lyndie. Ich dachte, wir sind Freunde.«
Da sie nicht viele Freundschaften hatte, lag ihr daran, die wenigen, die sie durch schieres Glück gefunden hatte, zu pflegen. »Das sind wir.«
»Freunde sagen einander, was los ist.«
Lyndie seufzte. »Na gut. Ich habe ihn geküsst.«
Er starrte sie mit seinen dunkelbraunen Augen an. Und dann lachte er. »Nicht im Ernst.«
»Doch.« Sie zuckte zusammen. »Hör zu, es lag einfach an der Situation,
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