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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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Termine gehabt, habe aber gestreikt, denn ich musste dich einfach sehen. Lena hat mir verraten, wo ich dich finden kann. Sollen wir zu mir, und ich koche was?«
    Mir war alles recht. Wie ein Junkie ging ich überall hin, wo das Dope, in diesem Fall Justus, war.
    Eigentlich hatte ich gedacht, ich würde mich an Justus’ Gegenwart gewöhnen und wäre nicht mehr aufgeregt. Weit gefehlt. Es reichte immer noch eine zufällige Berührung, ein zweideutiges Grinsen, und mein Magen drehte sich.
    Gleichzeitig fühlte ich mich bei ihm geborgen, und als wir in seiner Wohnung waren, hatte ich sogar das Gefühl von Vertrautheit.
    Justus war bereits einkaufen gewesen und wollte aufwändig kochen. Trüffelpastete an Tomaten-Pinien-Sugo.
    »Lass uns schon mal den Wein öffnen. Ohne Wein kann ich nicht kochen!«
    Löbliche Einstellung! Ich schenkte ein, und Justus begann die Vorspeise vorzubereiten. Ich durfte nicht helfen, sondern nur dastehen und ihn als Muse inspirieren.
    Er schnippelte, ich trank. Das Küchenradio dudelte, einige Kerzen brannten, draußen war es bereits dunkel geworden, und der Regen hatte eingesetzt. Es war unglaublich schön, hier auf einem Küchenhocker dem aufregendsten man alive beim Zubereiten einer Gemüsetarte zuzusehen …!
    »Und wie war deine Woche?«, fragte ich, nachdem mich der Wein erwärmt und gelockert hatte.
    »Lange, zu lange. Ich kann keine Models oder Studentinnen mehr sehen, die auf Partys Give-aways oder in irgendwelchen gestörten Aufmachungen eines Sponsors unnütze Werbegeschenke verteilen. Und wenn ich in nächster Zeit einen Flughafen sehe, drehe ich durch. Ich sag dir, inzwischen könnte ich die Maschinen selber fliegen. Und falls ich in meinem nächsten Leben als Journalist wiedergeboren werden sollte, würde ich als Erstes drei Fragen verbieten: Wie ist es, ein Sexsymbol zu sein?, Was hat die Filmfigur mit Ihnen gemein? und: Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?«
    Das würde ich mir merken. Für Annabelles Interview, das mir kommende Woche ins Haus stand, könnte ich mir lauter solcher Quälfragen ausdenken. Wie wär’s mit: Womit wäschst du dir die Haare? Wo kaufst du ein? Was ist dein Lieblingskochrezept?
    »Was würdest du denn gerne gefragt werden, Justus? Vielleicht: Was macht dein Liebesleben? Aber das wäre dir sicher zu privat.«
    Er schmeckte die Salatsoße ab. »Von dir, liebe Charlotte, würde ich mich alles fragen lassen. Von einem wildfremden Menschen hingegen nicht. Ich versteh diese Neugierde, was mein Privatleben angeht, einfach nicht. Haben die denn kein eigenes?«
    »Du bist aber auch ein besonders schwieriger Fall.«
    Justus drehte sich zu mir um und überlegte einen Augenblick. Dann sagte er: »Irgendwann wirst du das verstehen, Charlotte. Glaub mir!«
    Was sollten diese Andeutungen? Wenn ich etwas hasste, dann Andeutungen. Aber natürlich wollte ich nicht mit aufdringlichen Journalisten in einen Topf geworfen werden, und so biss ich mir auf die Lippe, ließ die Bemerkung so stehen und fand mich ganz schön diskret.
    Das Essen war unglaublich. Justus hatte sich solche Mühe gegeben, und ich konnte förmlich sehen, wie Stress und Anstrengung von ihm abfielen. Es war so spannend, mit ihm zu reden, denn was er schon alles erlebt hatte, gab mir das Gefühl, wirklich im goldenen, beschützten Käfig aufgewachsen zu sein.
    Ein Thema hatte sich allerdings als Tabuthema herauskristallisiert: seine Familie. Als ich eine Kiste sah, die mit »Fotos Familie« beschriftet war, und fragte, ob ich sie öffnen dürfte, wehrte er ab. Und zwar vehement. Die einzige Info, die ich hatte, war, dass er Einzelkind war, seine Eltern getrennt lebten, sein Vater an einer renommierten Schauspielschule unterrichtete und seine Mutter als Journalistin fast immer unterwegs war. Mehr bekam ich einfach nicht aus ihm heraus. Mir fiel auch auf, dass er zwar Fotos von Freunden aufgestellt hatte, aber seine Eltern nirgendwo zu sehen waren. Da es keinen Zweck hatte, weiter zu bohren, akzeptierte ich die Tatsache einfach und hoffte, er würde schon bald von allein darüber sprechen.
    Justus war Meister im Themawechseln. Er imitierte Stars, worüber ich sehr lachen musste, nahm seine Gitarre und veranstaltete Sie wünschen – wir spielen und konnte fast jedes meiner Wunschlieder aus dem Kopf improvisieren. Eine gute Stimme hatte er zu allem Überfluss auch noch! Dann jagte er mich durch die Wohnung, kitzelte mich durch, wenn er mich zu fassen bekam, und beschloss spontan, dass der

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