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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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sehr. Nicht nur die Küche mit Maultaschen und Spätzle war ein Hit, auch die Autos, die aus Stuggi-Boogie-Benztown kamen, und vor allem die selbstironische Werbung für ihr Ländle – »Wir können alles – nur kein Hochdeutsch« – hatte mir immer gefallen.
    Am Platz angelangt, fiel ich in einen komatösen Schlaf und wachte erst wieder auf, als wir in unseren Nachtzug umsteigen mussten.
    Das war noch lustiger, als ich es mir vorgestellt hatte. Zu sechst auf Pappkartongröße, jeweils in Dreierbetten übereinander gestapelt! Wir hatten die beiden unteren Betten, was logistisch eigentlich super war, nur hatte Lena nicht bedacht, dass das auch bedeutete, dass alle Mitreisenden in miefigen Socken an einem hoch- und runterkletterten, um aufs Klo zu gehen. Wenn dies das Programm war, um mir zu zeigen, es könnte auch schlimmer sein, war es gelungen! Mit Romantik hatte Schlafwagenfahren ungefähr so viel gemein wie Mülltrennung! Unterhalten konnte man sich auch nicht, da die Familie über uns, die aus Rentnerehepaar und erwachsenem Sohn bestand, sofort das Licht ausgemacht hatte, nicht ohne zuvor die erfreulichen Details mitzuteilen, dass Hansemann, der mit Anfang fünfzig noch zu Hause wohnte, zwar Junggeselle sei, die Suche nach der Richtigen jedoch nicht aufgegeben hatte. Hinzu kam, dass Hansemann eine Spitzenpartie sei, Beamter auf Lebenszeit. Erben würde er selbstverständlich auch mal ’ne Menge. Hansemann fuhr wie jedes Jahr mit seinen Eltern nach Paris, dort hatten Hansemanns Eltern ihre Flitterwochen verbracht.
    »Schläft er dann auch in der Mitte?«, fragte der Schweizer Student, der über Lena lag und aus Geldgründen den Nachtzug nahm, sarkastisch.
    Helle Empörung bei Hansemanns Eltern ob der unverschämten Bemerkung und Lenas und meines Gekichers. Darauf folgte frostige Stille und die Aufforderung, das Licht auszumachen, ab 21 Uhr sei Nachtruhe. Von wegen Nachtruhe! Hansemanns Schlafgeräusche hatten etwas von einer sabbernden Töle, und Hansemanns Vater kratzte sich die ganze Zeit im Schlaf am Kopf, was sich nicht nur eklig anhörte, sondern selbst Frau Holle arbeitslos machte …
    Trotz Restalkohols war ich noch in der Lage, das Grauen der Situation glasklar zu erkennen, es mir schön zu trinken, hatte leider nicht funktioniert.
    »Lena, lass uns rausgehen«, flüsterte ich leise.
    »Silentium!«, rief Familie Hansemann unisono. Hatten sie bestimmt beim sonntäglichen Kreuzworträtsel gelernt: lateinisches Wort für Ruhe.
    In unserem campingtauglichen Aufzug gelangten wir durch stinkende Abteile in ein Bistro, wo es zum Glück noch Wein gab.
    Lena sah genauso fertig aus wie ich.
    »Ist das deine Vorstellung von Romantik? Da hab ich ja Glück gehabt, dass es nur ein Schlafwagen und kein Fischkutter war!«, konnte ich mir nicht verkneifen.
    Lena knurrte.
    »Undankbares Stück! Da organisiere ich deine Flucht, und das ist der Dank!«
    »Jetzt sag nicht, dass du das hier toll findest!«
    »Nee, aber immer noch besser als fliegen!«
    Na also, wusste ich es doch! Lena und ihre Flugangst. Aber sie hatte Recht. Ich war ungerecht und undankbar zugleich. Welche Freundin packt schon, ohne eine Sekunde zu zögern, die Koffer, um spontan nach Paris durchzubrennen?
    »Entschuldige, Lenchen. Ich bin unausstehlich!«
    Sie drückte mich und lachte. »Heute lass ich dir alles durchgehen, du stehst noch unter Schock. Aber ich finde es genauso eklig hier.«
    »Allerdings kann nichts ekliger sein als Justus Staufen. Darauf trinken wir!«, rief ich einen Tick zu laut und zog damit drei pubertierende, angetrunkene Proleten auf den Plan, die dachten, mein unfreiwillig affektiertes Gehabe habe ihnen gegolten. Super!
    »Na, Ladys, ganz alleine hier?«
    »Nein, Hansemann ist mit!« Ich kicherte wieder unkontrolliert trotz Lenas strengen Blicks.
    »Ist das dein Stecher?«
    Ich wusste nicht, was ich unerfreulicher fand, den Ausdruck an sich oder die Vorstellung, Hansemann zum Stecher zu haben.
    »Nein, mein Anwalt!«, erfand ich.
    Die drei sahen mich verunsichert an und wussten nicht recht, was sie von mir halten sollten.
    »Ey, ich glaube, die tickt nicht ganz richtig. Kommt, lasst uns gehen!«, sagte der Größte von ihnen, einer mit gegelten Haaren und Oberlippenflaum.
    Wenn schon die simpel Strukturierten Reißaus nahmen, wer konnte es dann Justus verdenken, vor mir in Annabelle Leinigers Arme zu flüchten. Irgendwas stimmte nicht mit mir.
    »Sollen wir wieder in unsere Dampfkuhle? Hansemann hat sicher schon gut vorgeheizt;

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