Flurfunk (German Edition)
unisono den Kopf.
»Nein! Das war eine Kurzschlusshandlung«, sagte Lena. »Warum hätte er sich sonst noch die Mühe gemacht, dich zu suchen und anzurufen. Und glaub mir, er sah nicht so aus, als ob er dir sagen wollte, dass Annabelle die Liebe seines Lebens ist. So zerknirscht, wie er am Morgen danach war, wusste er genau, dass er Mist gebaut hat.«
Hoffentlich hatte Lena Recht. In mir rangen verschiedene Gefühle. Einerseits war ich sauer und verletzt und wollte Justus nie wieder sehen, andererseits sehnte ich mich mehr denn je nach ihm.
Wir saßen noch eine Weile wortlos da, hingen unseren Gedanken nach und schauten den vielen Händchen haltenden Paaren nach, die vorbeigingen. Wie war das? Ganz Paris träumt von der Liebe … In meinem Fall träumte ich einen Albtraum, aus dem ich bald zu erwachen hoffte.
Zurück in Carolines Wohnung, machten wir es uns gemütlich, kochten, unterhielten uns über alles Mögliche und gingen früh zu Bett. Zwar schlief ich unruhig, wachte immer wieder auf und träumte von Justus und Annabelle, aber ich beschloss, es als positives Zeichen zu sehen, schließlich bedeutete es, dass ich anfing, die Geschichte zu verarbeiten.
neunundzwanzig »Lena, Lotte, Frühstück ist fertig. Kommt ihr?«
Es war Dienstagmorgen, viel zu früh, um schon wach zu sein, und der letzte Tag unseres Parisaufenthaltes. Ich wurde ganz sentimental bei dem Gedanken, Abschied von Caroline nehmen zu müssen.
»Ach, Lotti, ich bin doch schon bald wieder zurück, und du kannst mich jederzeit in Paris besuchen!«, tröstete sie mich.
Paris konnte mich gern haben! So schön die Stadt auch war, solange ich Liebeskummer hatte, würde ich mich hier bestimmt nicht mehr blicken lassen. Wer war auch so bekloppt, in die Stadt der Liebe zu fahren, während man an Herzschmerz litt? Ironie des Schicksals oder mal wieder typisch ich. Auf alle Fälle schwor ich mir, dass die verliebten Pärchen ruhig allein den Montmartre entlangflanieren, Porträts von sich anfertigen lassen und abends romantisch in die Oper gehen konnten. Bevor ich nicht wieder glücklich verliebt war, würde ich freiwillig keinen Schritt mehr in die Liebeshauptstadt machen.
»Ach, Caroline, warum kann ich nicht ein bisschen wie du sein?«, seufzte ich.
Sie warf ihren Kopf in den Nacken und lachte laut los.
»Weil wir grundverschieden sind. Zum Glück. Lotte, du hast schon immer an die große Liebe geglaubt! Während ich in meinen Nachhilfelehrer verknallt war und heimlich Jungs auf dem Schulhof geküsst habe, warst du immer auf der Suche nach dem großen Gefühl. Dir fehlt jede Art von Flatterhaftigkeit. Du kannst dich nicht wie ich wöchentlich aufs Neue verlieben, du bist einfach beständiger, was deine Gefühle angeht, und glaube mir, wenn ich mal groß bin, will ich das auch können.«
»Du bist doch meine große Schwester«, protestierte ich.
»Da ist wohl leider etwas schief gelaufen.«
Es klingelte an der Tür. Lasse kam, mit einem Päckchen in der Hand.
»Ich wollde dier auf widdersähen saagen.«
Lasse war wirklich niedlich.
»Willste den nicht mal behalten? An den Akzent könnte ich mich gewöhnen!«, sagte ich leise zu Caroline. Und ein Abschiedsgeschenk hatte er auch dabei. Die Schweden hatten gute Manieren, da konnte man wirklich nicht meckern.
Lasse reichte mir das Päckchen.
»Fürrr dich, Loddte!«
»Danke Lasse, das ist so lieb! Du hättest mir doch kein Geschenk besorgen müssen!«
Erstaunt sah er mich an.
»Daas ist niecht von mier. Daas lag auf die Dreppe!«
Wenn es nicht von Lasse war, von wem denn dann?
Sollte mein Charme so deutliche Spuren hinterlassen haben, dass bereits der erste französische Verehrer ein Päckchen hinterlegte?
Caroline schloss auf, wir gingen in die Küche, und ich wollte gerade das Päckchen öffnen, als es an der Tür klingelte.
Wir sahen uns fragend an.
»Um diese Uhrzeit?«
Caroline ging zur Gegensprechanlage und kam aufgeregt in die Küche gerannt.
»Lotte! Es ist Justus!«
»Was?«
»Ja! Was soll ich machen, er will dich sehen!«
Wildes Durcheinandergeschnatter.
»Keine Ahnung, woher weiß er überhaupt, dass ich hier bin, woher hat er die Adresse? Lena?«
Lena schüttelte den Kopf. »Du glaubst doch nicht, dass ich dem Arsch das gesteckt habe! Die Einzige, der ich was gesagt habe, ist eure Mutter.«
Meine Mutter! Sie würde nach allem, was passiert war, doch nicht mit Justus gesprochen und ihm verraten haben, wo ich mich aufhielt?
Wir gingen ins Wohnzimmer, von wo aus man
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