Flurfunk (German Edition)
dich kämpfen! Ich schlafe heute Nacht bei dir, damit du nicht auf dumme Gedanken kommst.«
Von Schlaf war keine Rede. Stundenlang wälzte ich mich hin und her, wachte wieder auf, dachte an Justus, las ein wenig und versuchte, noch ein wenig zu schlafen.
Gegen sieben stand ich völlig gerädert auf und machte mir erst mal einen frisch gepressten Apfel-Ingwer-Karottensaft, Garant, um einen Funken Energie zu tanken. Lena schlief noch. Bestimmt hatte sie auch nicht besonders geschlafen, die Arme, so unruhig, wie ich gewesen war.
Ob ich mein Handy anmachen sollte?
Nur mal so? Ich hörte die Mailbox ab.
»Sie haben neun neue Nachrichten!« Und alle waren von Justus.
»Charlotte, wir müssen sprechen, ich kann alles erklären.«
Die weiteren Nachrichten waren immer später draufgesprochen worden, die letzte um 2 Uhr. Bei den letzten drei Nachrichten verstand ich Justus überhaupt nicht mehr, weil er schon so betrunken oder drauf war.
Ich war ihm nicht gleichgültig! Sonst hätte er sich nicht sinnlos betrunken und meine Mailbox zugetextet! Es war nicht alles verloren, und er hatte eine Erklärung! Jetzt würde vielleicht doch noch alles gut werden. Mir war gleich viel besser zu Mute.
Ich beschloss, frische Luft zu tanken, und zog meine Laufschuhe an. Nach dem Jogging könnte ich Brötchen holen, sozusagen als Dankeschön für Lenas Unterstützung am Abend zuvor.
Der Tag ließ sich nach dem desaströsen Abend nicht so schlecht an. Hatte ich übertrieben? Schlug ich etwa meiner Mutter und ihrem Sinn für dramatische Auftritte nach? Fast musste ich schon kichern. Jetzt hatte meine Mutter die Krögers dank mir und Justus mit einem Skandal übertroffen, und das an ihrem Geburtstag. Darüber würde sie noch lange sprechen können.
Die frische Luft und der federnde Waldboden brachten mich langsam ins Gleichgewicht zurück. Mein Kreislauf begann zu funktionieren, und meine Atmung pumpte allen Ballast hinaus. Völlig verschwitzt, aber zufrieden bog ich beim Bäcker ein, roch den Duft frischer Brötchen und bekam Hunger.
»Ein Baguette, zwei Croissants und zwei Kürbiskernbrötchen und die Zeitung, bitte.«
»Macht dreihundert Euro, bitte.«
Der allseits zu Scherzen aufgelegte Bäcker gab mir die Tüte.
»Zeitung darfst du dir selber nehmen!«
Automatisch wollte ich in den Kasten greifen, als mir die Schlagzeile ins Gesicht sprang.
»Justus Staufen und Annabelle Leiniger doch ein Paar!«
Ich musste zweimal lesen, nahm wie hypnotisiert die Zeitung heraus und durfte Paparazzifotos von Justus und Annabelle knutschend im Schichtwechsel , einem Club, der bis morgens geöffnet hatte, sehen. Untertitel: »Justus und Annabelle auf frischer Tat ertappt.« Dann ein Foto, wie sie in ein Taxi steigen. Justus sieht total benebelt aus, Annabelle muss ihn stützen, und als Bildunterschrift: »Zu dir oder zu mir? Jetzt üben wir noch mal für unseren Film.« Und zu guter Letzt ein Schnappschuss, wie Justus von Annabelle morgens an der Tür verabschiedet wird, im knappen Trägerhemdchen, mit zerzausten Haaren und der passenden Zeile: »Am Set üben wir gleich weiter!«
Vollkommen sediert, nicht in der Lage, eine Regung zuzulassen, lief ich nach Hause, schloss automatisch die Tür auf, ging robotergleich in die Küche und stellte Wasser auf.
»Lotte, da bist du ja. Justus war schon hier. Er sucht dich!«
»Kann ich mir vorstellen!«
Kommentarlos legte ich Lena die Zeitung hin.
»Nee! Dieses Schwein! Das hätte ich ihm nicht zugetraut! Und dann wagt er sich hier noch her? Lotte, vergiss ihn! Ausgerechnet mit Annabelle Leiniger!«
Lena zeigte alle Regungen, die eigentlich von mir hätten kommen müssen, nur fühlte ich mich wie ein unbeteiligter Zuschauer.
»Lotte, du sagst ja gar nichts! Alles in Ordnung mit dir? Hast du was genommen? Du wirkst so apathisch! Scheiße, du hast ’nen Schock!«
Sofort sprang sie auf und kam mit Tabletten wieder.
»Hier, Baldrian-Hopfen. Davon nimmst du gleich zwei. Und jetzt atme so, wie ich es dir sage.«
Mit großen Augen sah ich Lena an. Zwar hörte ich, was sie erklärte, verstand allerdings kein Wort.
»Lotte?«
Ehe ich mich versah, hatte Lena mir eine saftige Ohrfeige gegeben.
Erschrocken fuhr ich hoch. »Spinnst du?«
»Entschuldige, aber du hast ’nen Schock. So, jetzt trink und nimm die Baldriantabletten.«
Langsam kam ich zu mir und tat, was Lena befohlen hatte.
»Du sagst, Justus war hier?«
»Trink weiter, Lotte! Gleich legst du dich hin.«
»Ich bin aber nicht müde. Ich
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