Flurfunk (German Edition)
Morgen wieder eingeschaltet.
»Kind, dieser Justus ist einfach ein toller junger Mann! Famos sieht er aus, ganz famos. Man muss Männern ihre kleinen Schwächen verzeihen können. Er ist eben Künstler, ein Freigeist, den darfst du nicht an Ketten legen. Aber so talentiert dabei und so charmant. Wie er sich bei dir bedankt hat! Marlene fand es auch überwältigend und hofft von ganzem Herzen, dass sich alles zum Guten wendet. Ach, und sie bedankt sich für die Karten für Katharina und Yannick. Ich wusste, ich kann auf dich zählen. Wann kommst du endlich wieder mal vorbei? Dein Vater und ich wissen schon gar nicht mehr, wie du aussiehst, und von Lena und Casper habe ich auch schon länger nichts mehr gehört. Sie sind doch noch zusammen, oder?«
Ich konnte nicht anders als lachen. Langweilig wurde es einem jedenfalls nie mit meiner Mutter!
Ich arbeitete weiter und öffnete eine E-Mail von Mimi, die mit Dringlichkeitsstufe urgent markiert war.
»Lotte, was hältst du von dieser Mail. Soll ich zusagen?«
Die Nachricht war, wer hätte es gedacht, vom Popstar, der sie spontan für eine Woche nach Südamerika einlud. Er wollte Konzerte in Buenos Aires und Lima geben und eine Rettet-den-Regenwald- Aktionunterstützen. Mimi sollte als Reisebegleitung mit.
Wie war das? Gib jemandem immer nur den Ratschlag, den er selbst hören möchte?
Ich schrieb zurück.
»Du bist ein großes Mädchen und brauchst von mir keine Absolution. Folge deinem Gefühl und dem, was dich auch langfristig glücklich machen wird. P.S.: Ich werde Volontärin, und Tim hat ’ne heiße Nacht mit Mr. X verbracht.«
Keine Sekunde später stand Mimi in der Tür. Natürlich hatte sie dem Popstar zugesagt und quiekte aufgeregt herum.
»Glückwunsch, Lotte, zum Volontariat! Das müssen wir feiern und isss fliggge nach Ssssüdamerikka, amica ! Aber wer ist Tims
Mr. X?«
»Will er nicht sagen!«
»Männer!«
dreiunddreißig »Lena, wach auf. Die Geschäfte machen gleich auf. Ich hab schon Frühstück gemacht.«
Es war Samstagmorgen, heute Mittag traf ich Justus, doch zuvor würde ich mit Lena shoppen gehen.
So sollte man einen Samstagmorgen beginnen. Mit einem guten Frühstück im Magen, die Ladentür anwärmen, bis geöffnet wird, und dann in aller Ruhe, bevor der große Andrang kommt, anprobieren und kaufen.
»Lotte, du bist unerträglich, bevor du endlich in deine Konsumtempel darfst.«
Sie quälte sich aus dem Bett, angelockt vom Geruch ihres Matetees, den niemand, der alle Geschmacksnerven beisammen hatte, gerne trank. Angeblich hatte Matetee eine berauschende Wirkung, vielleicht war das die Erklärung.
»Pass auf, Lena. Ich habe mir eine Liste gemacht. Zuerst gehen wir ins kdw, dann schauen wir auf der Friedrichstraße vorbei, und anschließend sollten wir in die Hackeschen Höfe.«
»Lotte, du bist echt meschugge. Wenn man dich hört, könnte man meinen, wir gehen für dich einkaufen, dabei muss ich auf diese oberflächliche Kapitalistenversammlung.«
Gemeint war Caspers Kanzleifeier. Er war Partner geworden, was piekfein gefeiert wurde. »Abendkleid« stand auf der Einladung, und ich hatte mit Engelszungen Lena überredet, nicht in ihrem Think-global-act-local -Pulli dort aufzutauchen, sondern wenigstens gemeinsam mit mir ein passendes Kleid anprobieren zu gehen.
»Und du bist dir sicher, Lotti, dass das nicht nur eine Übersprungshandlung von dir ist, weil du Justus heute triffst und dir nichts Neues kaufst, aber nicht weißt, wie du die Zeit bis zu eurem Treffen totschlagen sollst?«
»Natürlich nicht. Ich bleibe dabei. Keine neuen Klamotten für das Date. Das ist der erste Schritt in Richtung normaler Beziehung. Ich kann doch nicht für jede Begegnung shoppen gehen, das heißt, ich könnte schon, aber ich will nicht mehr. Er soll mal meine normale Seite kennen lernen.«
»Löblich, löblich, Lotte!«
Tatsächlich kannte mich Lena ziemlich gut und wusste, dass man einen Shoppaholic nicht so einfach trocken bekam. Natürlich wusste ich nicht, wie ich die Zeit, ohne shoppen zu gehen, herumkriegen sollte, aber es war doch schon mal ein vernünftiger Zug, die Kaufsucht auf Lena zu projizieren.
Vergnügt schlenderten wir los, das heißt, vergnügt war nur ich, Lena hätte so viel Besseres zu tun gehabt, als dem schnöden Mammon zu frönen. Ihr spannendes Buch weiterlesen, Haare mit Henna färben, Glasketten basteln, einen Leserbrief an die taz schreiben …
Mir war klar, dass ich Lena etwas bieten musste, wenn ich sie ansatzweise
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