Flurfunk (German Edition)
Bühnenpräsenz!
Er sah in Wirklichkeit genauso interessant aus und verströmte das Charisma eines Musikers, der wusste, dass er mit einer Geste einen Saal lahm legen konnte!
Auch wenn ich in Justus verknallt war und Will Taite nicht mein Typ, so konnte selbst ich mich nicht seiner Ausstrahlung entziehen und musste leider eingestehen, dass die Close-ups von verzückten Mädels nicht so unrealistisch gewesen waren …
Will Taite begrüßte das Publikum, ließ hin und wieder einen witzigen Spruch ab und grinste selbstsicher direkt in unsere Reihe, was Tim veranlasste, mich wie wild in die Seite zu kneifen.
Er begann mit Cold , einem aktuellen, sehr erfolgreichen Hit.
Seine Stimme und vor allem der Ausdruck, mit dem er sang, raubten einem den Atem. Alle Augen klebten an seinen Lippen, die dieses unglaublich melancholische Lied sangen, das einen berührte, ob man wollte oder nicht.
Magie war seit Schlaflos in Seattle ein so strapaziertes und verkitschtes Wort geworden, aber anders als magisch ließ sich die Atmosphäre nicht beschreiben.
Zumal Will unentwegt in unsere Reihe schaute, und das war nicht eine der teeniehaften Einbildungen à la »Er hat nur mich angeschaut und nur für mich gesungen«.
Nein, entweder waren wir genau nach seinem Geschmack gecastet worden oder er vom Regisseur angehalten, mit den Mädels der ersten Reihe zu flirten, weil sich das gut machte. Wobei, wenn ich ihn genau ansah, so schaute er eigentlich nur in Mimis und meine Richtung.
Beim Refrain hatte ich keinen Augenkontakt mehr, denn Will Taite sang offensichtlich nur noch für eine im Raum, und das war Mimi!
Mit offenem Mund wurde ich Zeuge, wie er Mimi anstrahlte, zuzwinkerte und seine Augen gar nicht mehr von ihr wenden konnte. Sie lächelte zurück, und mit einem Mal fiel der Groschen!
Die vertraute Art und Weise, wie er sie ansah und sie dabei glücklich war, ließ keinen Zweifel mehr offen: Ihr mysteriöser Mr Big war niemand anderer als Will Taite!
Tim schien auch zu blicken, was vor sich ging, und schüttelte ungläubig den Kopf.
Alles passte zusammen. Er war älter als sie, sie waren gemeinsam auf Tour gewesen, er hatte drei Kinder und eine depressive Frau, die er schlecht verlassen konnte. Er war berühmt und wollte keinen Skandal, deshalb die Geheimhalterei, und dann noch Mimis Verhalten in letzter Zeit … Will war in Deutschland, und sie hatte ihn sicher getroffen, deshalb auch die spontanen Absagen zu gemeinsamen Verabredungen und ihre Warnung, was mich und Justus anging. Mimi hatte ihre eigenen Erfahrungen gemacht, und das im großen Stil, denn verglichen mit Justus’ nationaler Prominenz war Will Taite als Weltstar eine ganz andere Liga! Die Leichtigkeit, wie sie an die Karten gekommen war und auch an ein Interview! Da arbeiteten wir in der Unterhaltungsbranche und bekamen die aufregendste Geschichte vor unserer Nase überhaupt nicht mit!
»Das ist er! Hundert pro«, flüsterte Tim mir ins Ohr. Ich nickte und konnte es immer noch nicht glauben. Mimi bemerkte von all dem nichts, sie war abgetaucht.
Das Spiel ging drei, vier Lieder so weiter. Ich getraute mich nicht, Mimi anzusprechen, sie sah viel zu glücklich aus!
Will Taite machte Pausen und scherzte mit den Musikern und dem Publikum, verlor dabei Mimi aber nie aus den Augen.
Schließlich stimmte er Hope an, ein Lied, das er für seine Frau geschrieben hatte, als sie eine schlechte Phase gehabt und keinen Ausweg gesehen hatte. Hope war zur Hymne von Millionen geworden und rührte einen bis ins Mark.
Mimi wurde ganz starr, und Will schaute zum ersten Mal an diesem Abend nicht Mimi an, sondern hielt die Augen geschlossen. Eine Weile hörte sie, ohne eine Miene zu verziehen, zu, dann stand sie auf und bahnte sich einen Weg nach draußen. Ich wollte hinterher, doch der Typ von der Produktion hielt mich ab und zeigte mir ’nen Vogel.
»Bleib gefälligst sitzen, sonst stimmt die Continuity nicht mehr!« Schnell dirigierte er ein anderes Mädchen auf Mimis leeren
Platz.
Ich musste warten, bis Hope zu Ende war, stürmte dann hinaus, direkt in den Waschraum, wo ich Mimi weinend vorfand.
Als ich sie in den Arm nahm, konnte sie sich gar nicht mehr beherrschen und schluchzte laut.
»Du musst nichts sagen, Mimi. Ich glaub, ich versteh es auch so. Er ist die komplizierte Liebe, richtig?«
Sie nickte und schniefte. »Warum muss er ausgerechnet heute dieses Lied spielen? Er weiß doch genau, wie das für mich ist!«
»Vielleicht muss er ja?«, wagte ich eine
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