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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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dann hatte ich mein Bestes getan, dann war es nicht meine Schuld. Und die Chance, daß ich alles richtig vorausberechnet hatte, war vermutlich nicht sehr groß. Immerhin, ich hatte mein Bestes getan. Noch schien der Mond, noch dämmerte es nicht. An der einen Stelle, wo das Land zurückwich und mit Felsbrocken und niedrigen Bäumen bedeckt war, wandte ich mich weg vom Fluß und erkundete meine Umgebung. Unter den Bäumen, die das Licht fernhielten, konnte ich mich nur mit Hilfe meines Tastsinns zurechtfinden. Vorsichtig tastete ich mich mit dem Fuß voran. Ich stieß auf etwas Festes. Ich trat darauf zu und war plötzlich eingehüllt von Kiefernzweigen und harten Nadeln. Ich legte den Bogen nieder und kletterte in die unteren Äste, die sehr dick waren und dicht zusammen standen. Dann kletterte ich in die schwankende Krone des Baumes. Durch das Nadelgezweig hindurch hatte ich etwas Sicht. Das Licht über dem Fluß flimmerte leicht. Von hier oben aus wirkte er sehr viel ferner als von dem grasüberwucherten Rand des Abgrunds aus, wo ich gestanden und hinuntergeblickt hatte. Schließlich stellte ich fest, daß der Teil des Flusses, den ich hier sah, die Biegung hinter der letzten Stromschnelle unterhalb der Stelle, wo Lewis und Bobby sich befanden, sein mußte. Dort wurde der Fluß langsamer und weiter, und das Mondlicht breitete ein silbernes Tuch darüber. Ich kletterte von dem Baum herunter, holte den Bogen und versuchte, mir in der Kiefer eine Art Hochsitz zu schaffen. Nie zuvor hatte ich von einem Baum aus auf etwas geschossen, noch nicht einmal auf eine Zielscheibe, aber ich erinnerte mich, daß irgend jemand mir einmal geraten hatte, in diesem Fall ein wenig tiefer zu zielen. Daran dachte ich, während ich mich da oben einrichtete. Ich überlegte mir jede einzelne Bewegung – wohin mit dieser Hand? Hierher? Nein, besser dorthin oder vielleicht noch etwas tiefer. Ich entfernte die kleinen Nadelzweige, die mir die Sicht auf das Sandplateau versperrten. Das war leicht getan: ich entfernte schließlich einfach alles, was meinen Augen das silberne Band des Flusses verbarg. Ich lehnte mich zurück an den Stamm und sah nun wie durch einen engen Nadeltunnel hindurch nach unten. Durch diesen Tunnel würde ich gut schießen können: er war mir sogar noch eine Hilfe beim Zielen. Beim Wegbrechen der Zweige hatte ich einen weit besseren Tastsinn bewiesen als je zuvor. Ich mußte ihn wohl beim Klettern an der Felswand entwickelt haben. Ich schien die genaue Größe und das Gewicht von allem schon bei der ersten Berührung bestimmen zu können. Und so strengte es mich nicht sonderlich an, die Zweige, die mir im Weg waren, abzubrechen oder beiseite zu schieben. Hier oben im Dunkel lebte ich auf und tat alles wie im Rausch, gerade weil es mir so unbegreiflich schien. Noch nie hatte ich etwas Ähnliches erlebt. Mit der Handfläche tastete ich über die Rinde hin, brach dann eine lange Kiefernnadel ab, steckte sie in den Mund und kaute darauf. Sie hatte den richtigen Geschmack. Ich kletterte um den Stamm herum. Vielleicht fand ich einen noch vorteilhafteren Platz mit einem noch weiteren Blickwinkel für den Schuß. Aber ich wollte den Baum nicht weiter verstümmeln: er mußte immer noch wie ein harmloser Baum aussehen, er mußte aussehen wie die anderen Bäume. Mit dem Tunnel hatte ich zwar eine Schußlinie auf das Plateau, aber ich hatte nicht genügend Bewegungsfreiheit, um den Bogen zu schwenken. Wenn ich ihn unter diesen Voraussetzungen töten wollte, mußte er genauso vorgehen, wie ich es mir vorgestellt hatte, nicht nur annähernd, sondern genauso. Seine und meine Gedanken mußten sich genau decken. Ich nahm den guten Pfeil aus dem Köcher, legte ihn ein und stemmte mich mit den Füßen fest gegen zwei starke Äste. Dann spannte ich den Bogen mit aller Kraft und lehnte mich dabei ein wenig nach rechts, um für meinen rechten Ellbogen mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Ich zielte, so genau ich nur konnte, hinab auf das Plateau, und einen Augenblick lang fühlte ich mich versucht, den Pfeil in den Sand zu jagen, um mir über den nötigen Schußwinkel richtig klarzuwerden, widerstand aber dieser Versuchung, wobei mir kalter Schweiß auf die Stirn trat. Schließlich lockerte ich den Pfeil wieder und atmete gleichzeitig tief aus. Um ein Haar hätte ich es getan. Hätte ich den Pfeil unwillkürlich losgelassen, so hätte das mein Ende bedeuten können: ich hätte den Pfeil vielleicht verloren oder verbogen und mich damit jeder

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