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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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ebenso schön wie unerträglich. Es war überwältigend. Überwältigend. Aber irgendwann mußt du wieder zurück, zurück auf die Knie, denn auf einem Felsen tragen sie dich besser als irgendein anderer Teil deines Körpers, jedenfalls auf einem Felsen, der in einem bestimmten Winkel geneigt ist. Ich kniete mich also wieder hin. Es tat weh, aber ich kam vorwärts. Ich kroch, aber ich brauchte mein Liebesspiel mit der Felswand nicht mehr weiterzutreiben, nur um ihr im Mondlicht ein paar Zentimeter abzutrotzen. Zwischen ihr und mir gab es jetzt etwas Raum. Wenn ich vorsichtig war, konnte ich ihr sogar unbeschadet ein, zwei Stöße versetzen. Meine Füße stemmten sich schmerzhaft und immer wieder in anderen Richtungen gegen die Schräge des Gesteins. Allerlei Mutmaßungen, die ich nicht näher beschreiben könnte, geleiteten mich, und ich kroch und schrammte und zog mich weiter hinauf wie ein felsengeborenes Wesen, das heimatlichen Gefilden zustrebt. Oft rutschte meine Hand oder mein einer Fuß ab und fing sich an etwas, das ich instinktiv erspürt hatte. Und ich konnte weiterklettern. Der Felsen konnte mir nichts mehr anhaben; er konnte nichts gegen mich ausrichten, dem ich nicht sogleich gewachsen gewesen wäre. Nichts konnte mich mehr aufhalten. So gelangte ich schließlich an eine kleine Klamm. Ja, und ich stand auf. Ich konnte nicht viel erkennen, aber das Gelände kam mir ähnlich vor wie der Hohlweg, von dem aus ich im Nebel den Hirsch gejagt hatte. Der Boden unter meinen Füßen – unter meinen Füßen – war voller Geröll, aber ich konnte darauf gehen. Die Felswände rechts und links berührten fast meine Schultern. Sie drohten einzustürzen, taten es jedoch nicht. Statt dessen füllten sie sich nach und nach mit Büschen und kleinen gespenstischen Bäumen. Sie boten Halt, und Schritt für Schritt arbeitete ich mich ihnen entgegen. Dann waren ihre Zweige über mir, und ich hatte es geschafft.
    Ich nahm den Bogen von der Schulter. Ich hatte noch alles bei mir. Das Messer an meiner Seite sagte mir, wozu es da war. Und das Nylonseil war auch da, ob es nun zu etwas gut war oder nicht. Ich warf einen Blick auf die Umgebung, auf die unbeseelte Schönheit der Natur. Flußaufwärts erblickte ich nur die zerklüfteten, weiß schimmernden Felsen der Stromschnellen, die uns zum Verhängnis geworden waren, und dort war nichts zu sehen außer dem stetigen, fast lautlosen Strömen des Wassers. Ich drehte mich um und blickte etwa ebenso lange in den Wald. Ich ging zurück zu den Kiefern, die auf festem Boden wuchsen, lehnte die Stirn gegen einen Stamm und schob dann meinen Unterarm dazwischen. Wohin jetzt? Ich ging zurück und sah wieder auf den Fluß hinunter. Auch zum Rand der Felswand hin standen noch Bäume, aber es wurden immer weniger. Der Mond schien zwischen ihren Nadeln hindurch auf den Cahulawassee. Zum erstenmal dachte ich darüber nach, daß er in Kürze im Stausee verschwinden würde, daß seine Wasser bis zu der Stelle, an der ich jetzt stand, steigen würden und daß er sich aus seinem natürlichen Bett erheben würde, fort von den Steinen, die uns im weißen Wasser soviel zu schaffen gemacht hatten, und langsam bis zum Rand der Schlucht hinauf. Das Wasser würde allmählich, geduldig und zwangsläufig, von jedem Riß, jedem Vorsprung und jeder Spalte des Felsens, an denen ich Halt gefunden hatte, Besitz ergreifen. Und erst hier oben, wo ich jetzt im Mondlicht stand, würde es zur Ruhe kommen. Ich saß auf einem kalten Stein am Rand der Felswand und blickte hinab. Jetzt, im Mondschein, war ich der festen Überzeugung, daß ich, falls ich abstürzte, nur instinktiv nach den Felsen zu greifen brauchte, daß sich mit Sicherheit etwas bieten würde, woran ich mich festhalten konnte: ich glaubte, daß unter all den Gegenden in der Welt, die mir den Tod bringen konnten, eine war, der es nicht gelingen würde. Diese. Allmählich, stufenweise, kam ich zurück auf mein eigentliches Ziel. Zunächst einmal ging ich davon aus, daß der Mann, der auf Drew geschossen hatte, wußte, daß er ihn getötet hatte. Das war der Anfang. Und er mußte auch wissen, daß wir nicht alle in den Stromschnellen umgekommen waren. Was weiter? Er konnte oberhalb der Stelle mit dem ruhigen Wasser warten, wo Bobby und Lewis waren und wo auch ich jetzt stand, wenigstens ungefähr, und vorhaben, auf sie zu schießen, wenn sie am Morgen losfuhren. In diesem Fall würde er sie beide töten. Aber wenn Bobby den Wechsel vom Mondlicht zum

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