Flußfahrt
sollen. Ich zog die Unterhose aus und stand blutend und nackt da, und dann nahm ich den blutigen Ärmelfetzen, den ich oben im Wald abgeschnitten hatte, drückte die Unterhose in die Wunde und band mir, um sie festzuhalten, den Fetzen um den Leib. Dann zog ich meine Kombination wieder an.
»Also los, laß uns die Sache hinter uns bringen«, sagte ich.
Wir standen da mit der Leiche, und alles war bereit. Das Seil war schon aufgerollt, und an dem Ende, an dem es hoch da oben gerissen war, hatten sich die glasigen Nylonstränge zerfasert.
»Bist du denn auch sicher …?« begann Bobby.
Ich sah ihn an, sah in seinen offenen Mund und in seine geröteten Augen.
»Nein«, sagte ich. »Ich würde es gern sein, aber ich bin nicht sicher. Wenn wir ihn dazu bringen könnten, dir ein Gewehr an die Schläfe zu halten, dann könntest du es mir vielleicht sagen. Oder wenn wir ihm sein Gesicht zurückgeben könnten, dann würden wir es wissen. Aber so weiß ich es nicht. Ich weiß nur, daß wir hier sind und in dieser Lage. Also los, in den Fluß mit ihm! Und zwar gründlich!«
Wir gingen wie in Trance am Ufer auf und ab und suchten nach Steinbrocken, die die richtige Größe hatten. Mit beiden Händen schöpfte ich Wasser aus dem Fluß und versuchte, den großen Felsen abzuwaschen, auf den sein Kopf aufgeschlagen war, denn dort war eine Menge Blut. Ich hockte auf beiden Knien und schrubbte, und das Blut floß wäßrig in den Sand, und schließlich war nichts mehr zu sehen. Ich suchte wieder mit Bobby nach großen Steinen, und gemeinsam legten wir fünf oder sechs neben den Körper. Ich schnitt das Seil in Stücke und band die Steine an den Mann, den größten band ich ihm an den Hals, direkt an die Pfeilwunde.
»Nicht hier«, sagte ich. »In der Mitte des Flusses, wo man nicht so leicht hinkommt.«
Wir mühten uns mit ihm ab, und schließlich lag er mitsamt den Steinen im Kanu, in dem auch Lewis lag, der sich etwas zur Seite bewegte, als wolle er Platz machen für jemanden, der dort hingehörte, genau wie jemand nachts im Bett zur Seite rückt, wenn ein vertrauter Körper sich wieder neben ihn legt. Mit all dem Ballast ließ sich das Boot nur schwer vorwärts bewegen. Wir stießen vom Ufer ab und ließen uns einen Augenblick lang flußabwärts treiben; wir waren zu müde, etwas anderes zu tun. Irgendwo vor uns war das Geräusch von Stromschnellen und brachte nach all den überstandenen Schrecken noch einmal neuen Schrecken über uns. Bobby hielt das Kanu in der Strömung, während ich in all dem Blut, dem Erbrochenen und zwischen den Steinen kniete und zwei von ihnen hochhob und über die Bootswand stemmte. Das Boot schwankte, und ich warf mich auf die andere Seite, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Der Körper strebte ins Wasser, blieb aber an der Seitenwand des Kanus hängen. Ich stemmte noch einen weiteren Stein hinaus, dieser zog das eine Bein des Toten über Bord, aber der Körper lag noch immer im Boot. Schließlich nahm ich den letzten Stein auf, den Stein, den ich ihm an den Hals gebunden hatte, und hievte ihn mit meinen letzten Kräften über Bord. Die Wunde an seinem Hals riß auf, ohne jedoch zu bluten – und fort war er.
Der Fluß hatte ihn so endgültig verschlungen, als hätte es ihn nie gegeben. Er hatte nie gelebt. Ich hielt meine Hand in die Strömung und säuberte sie von seinem Blut. Wir waren wieder unter uns, wir fuhren flußabwärts. Bald darauf erreichten wir eine weite Biegung. Vor uns und um uns herum wurde der Fluß wieder lebendiger, und ich paddelte ohne große Anstrengung. Wir kamen ohne große Schwierigkeiten durch ein paar kleine Stromschnellen, und es machte mir beinahe Spaß. Das Kanu trieb von allein dahin. Die Felswände an beiden Ufern wurden niedriger, traten zurück. Dann stiegen sie wieder an, fast so hoch, wie sie vorher gewesen waren, aber sie wirkten nicht mehr so bedrohlich. Allmählich wurden sie immer niedriger. Die Sonne stand uns im Rücken, und der Druck der Strömung trieb uns vorwärts. Ich war glücklich darüber, glücklicher, als sich denken läßt. Aber ich konnte meinen Kopf nicht mehr hochhalten. Meine Seite war ganz steif, und in der Wunde pochte das Blut, mein Kinn fiel immer wieder auf meine Brust, und meine Augen blickten verschwommen auf den Boden des Kanus, wo Lewis lag und sein Gesicht mit der Hand bedeckte. Ich legte die eine Hand an meine Stirn und versuchte, meine Augenlider zu heben, indem ich meine Stirnhaut hochschob, aber trotzdem schlief ich und
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