Flusskrebse: Roman (German Edition)
den etwas weniger abstrakten Bildern der Künstlerin, die als einzige bekannte Malerin Burkina Fasos angekündigt war. Mautner folgte ihm.
„Sehen Sie sich das an! Die Stiere! Ich hätte nie gedacht, dass eine Frau den Geist der Rinder so sehen kann.“ Zwei flächig in Gelb und Ocktertönen gemalte Rinderschädel mit mächtigen Hörnern schwebten über vom Körper losgelösten Vorderbeinen. „Es sind keine wirklichen Stiere. Es sind Geister, die sich gerade zu Stieren materialisieren.“
Juvénal notierte sich etwas in seinem Schreibheft. „So war es manchmal am Morgen, wenn man zur Herde hinausging. Hören Sie:
Der Wald ist dunkel.
Aus blauem Nebel treten
zwei Stiere hervor.“
„Ja“, sagte Mautner, „ja, ich kann es vor mir sehen.“
Hugo Reiter trat wieder zu ihnen: „Manchmal gehen die Dinge sehr rasch. Kommen Sie, ich muss Sie jemandem vorstellen.“ Er ergriff Juvénals Hand und zog ihn mit sich. „Komm mit, Ari!“ sagte er zu Mautner. „Wir haben schon einen Sponsor für das Projekt!“
An dem weiß gedeckten Buffettisch stand ein Riese. Reiter stellte die drei einander vor: „Herr Masunzu, das ist Herr Nagel. Das ist Herr Mautner!“
Nagel war wohl über zwei Meter groß, mit einem mächtigen Bauch und einem kahlen Schädel, den ein weißer Haarkranz umgab. Er schüttelte den beiden die Hand mit einer gewaltigen Pranke. Seine Stimme war überraschend dünn und hoch: „Ich war wirklich beeindruckt, wirklich beeindruckt. Ich will nicht sagen, dass ich mich in der Literatur so auskenne, ich bin Kunstsammler, bei Bildern macht mir keiner was vor, aber, nein wirklich, alle Achtung! Sehr schön!“
Reiter legte einem Herrn unbestimmbaren Alters, der sein dünnes Haar zu einem Chinesenzopf geflochten trug und der gerade mit einer jungen Dame flirtete, die Hand auf die Schulter. „Rudi, einen Augenblick!“
Der Angesprochene drehte sich um und verbeugte sich leicht, als er Juvénal sah. Reiter stellte auch ihn vor. „Das ist Rudi Holzer, er hat den Verlag Bibliothek des Nordens. Der Herr Holzer, der Herr Nagel und ich, wir waren uns sofort einig, dass man da was machen muss mit Ihren Gedichten!“
„Mit Lyrik kann man natürlich nicht so große Auflagen machen, normalerweise. Aber wenn uns der Herr Nagel eine garantierte Abnahme verspricht, dann seh ich da kein Problem.“
„Ja, das machen wir, das machen wir. Schauen Sie, ich bin ja nicht nur Kunstsammler, ich bin in erster Linie Unternehmer und wir haben natürlich Interessen da im Kongo, auch in anderen Ländern, in Uganda mit Kupfer, aber wir sind stark im Kongo engagiert, wir haben Schürfrechte über große Gebiete, Gold und Pryochlor und andere Mineralien, und wir stehen auf dem Standpunkt, dass man auch etwas zurückgeben muss. Wir betreiben da zum Beispiel ein kleines Spital in Süd-Kivu und eine kleine Schule und wir arbeiten da auch mit verschiedenen Entwicklungsorganisationen zusammen. Nichts Großartiges, geb ich zu, aber wir tun, was wir können, wir tun, was wir können. Wir sind ein Familienunternehmen, wissen Sie, und da spürt man eine andere Verantwortung als wenn das eine anonyme Aktiengesellschaft wäre.“
Nagel nahm einen tiefen Schluck aus seinem Rotweinglas. „Aber sie haben ja gar nichts zu trinken. Kommen Sie, nehmen Sie sich ein Glas, dass wir anstoßen können!“ Er griff nach der Rotweinflasche und füllte zwei Gläser für Juvénal und Mautner. „Also, auf die Dichtkunst! Wissen Sie, ich glaube an Afrika. Es gibt viele, die Afrika schon aufgegeben haben. Man will dort nicht investieren, wegen der Korruption, der politischen Unsicherheit, der fehlenden Infrastruktur. Aber ich glaube an Afrika.“ Er wies mit seiner Pranke auf die Bilder an den Wänden. „Hier sieht man doch das Potential. In den Menschen, in den Menschen steckt das Potential. Ich sammle afrikanische Kunst. Erstens, weil ich die Künstler da unterstützen will. Aber zweitens, weil ich das für eine gute Investition halte. Wenn einmal die ganzen Blender und Scharlatane, die heute den Kunstmarkt beherrschen, durchschaut sind, dann werden diese Maler da gefragt sein. In zehn, zwanzig Jahren können einige dieser Bilder ein Vermögen wert sein. Das Echte wird sich immer durchsetzen, davon bin ich überzeugt. Und darum glaube ich an Afrika.“
Er leerte sein Glas und schenkte sich nach. „Sicher, es gibt Probleme. 1999 habe ich von Kabila die Schürfrechte für eine Pyrochlor-Mine in Nord-Kivu bekommen. Es ist das größte Vorkommen der
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