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Flusskrebse: Roman (German Edition)

Flusskrebse: Roman (German Edition)

Titel: Flusskrebse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Auer
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erwischen konnte, und stampfte hinaus.
     
    „Freust du dich für deinen Schützling?“ fragte Vera beim Nachhausegehen.
    „Ich weiß nicht...“
    „Du weißt nicht? Na hör einmal! Er hat aus dem Stand heraus einen Buchvertrag angeboten bekommen! Wem passiert schon so was?“
    „Wer weiß, wie der Nagel darüber denkt, wenn er morgen wieder nüchtern ist.“
    „Ein Mann wie der – der trifft keine Entscheidungen, die er später bereut. Und wenn er noch so blau ist.“
    „Meinst du?“
    „Mich hat er beeindruckt. Es geht so eine Kraft von ihm aus. Das ist ein Mann, der kriegt, was er will, trotz seiner lächerlichen Stimme.“
    „Jedenfalls glaubt
er
das. Er hat Juvénal nicht einmal gefragt, ob er einverstanden ist.“
    „Und warum sollte er nicht einverstanden sein?“
    „Das ist doch eine Public-Relations-Aktion von dem Nagel.“
    „So ist das heute. Glaubst du, bei uns im MAK gibt es eine Ausstellung, wo nicht die Raiffeisenbank ihr Logo hinhängt, oder das Dorotheum, oder der Verbundkonzern?“
    „Ich weiß. Aber der Juvénal ist natürlich in seiner Dichterwürde gekränkt. Ich meine das gar nicht ironisch. Die Dichtung, das ist für ihn etwas, was mit Würde verbunden ist, etwas Hohes, vielleicht sogar etwas Heiliges. Du solltest ihn einmal über Dichter reden hören. Erst war er einfach nur verdattert, aber ich glaube, jetzt fängt er an nachzudenken. Und Patrice hat ihm gleich gesagt, er soll sich nicht kaufen lassen!“
    „Ich weiß nicht, der Patrice, der ist mir unheimlich. Dem vertrau ich nicht. Der hat so etwas Seltsames in seinem Gehabe, der ist mir nicht geheuer.“
    „Was der erlebt hat, ist auch nicht ohne.“
    „Ja, aber wenn einer Grund hat, wahnsinnig zu sein, ist er trotzdem wahnsinnig. Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig.“
    „Also weißt du...“
    „Jetzt sei nicht beleidigt. Das ist eine gute Sache, was du da machst, ich weiß, aber man kann doch ein bisschen vorsichtig sein. Dass jemand das Opfer von Ungerechtigkkeit ist, heißt doch nicht, dass er automatisch ein guter Mensch ist.“
    „Nein, sicher nicht. Aber ich wüßte nicht,
wovor
ich mich in Acht nehmen sollte.“
    „Sei einfach ganz allgemein ein bisschen vorsichtig, das ist alles, was ich sagen will.“
    *
    „Ich habe Ihnen zwei sehr interessante Bücher mitgebracht“, eröffnete Mautner das vierte Symposium. „In gewisser Weise widersprechen die beiden Bücher einander, aber sie ergänzen einander auch.“
    Patrice nahm das eine Buch in die Hand. „Eliot Sober and David Sloane Wilson: Onto Others“ las er. “Das ist aus der Bergpredigt, nicht wahr? ‚Was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!’“
    „Ja. Aber die Autoren wollen nicht predigen. Sie wollen soziobiologisch zeigen, dass echter Altruismus sich unter bestimmten Umständen genetisch durchsetzen kann.“
    „Sie widersprechen also Dawkin’s egoistischem Gen?“
    Mautner musste über Juvénals hoffnungsvollen Ton lächeln. Juvénal griff nach jedem Strohhalm, der ihm zu ermöglichen schien, an das Gute im Menschen zu glauben. Einen Forscher konnte eine solche Einstellung dazu verleiten, Fakten und Zusammenhänge zu übersehen, die seinen Hoffnungen wiedersprachen. Freilich, sie konnte ihn auch dazu führen, Fakten und Zusammenhänge zu entdecken, die andere übersahen. ‚Aber wir haben ja auch den Pessimisten Patrice im Team’, dachte er. ‚Und die kritische Frau Saberi.’ Kurz streiften seine Gedanken Frau Zhao, die bei den Symposien immer still dabei saß und den jeweiligen Sprecher oder die Sprecherin aufmerksam ansah, obwohl sie doch nichts verstehen konnte, da die Diskussion auf Französisch geführt wurde. Was war wohl ihr Beitrag?
    „Sehen Sie, gegen das egoistische Gen gab es zunächst den folgenden Einwand: Eine Gruppe, die aus Altruisten besteht, muss doch den Lebenskampf besser bestehen als eine Gruppe, die aus Egoisten besteht, weil die Altruisten kooperieren und einander fördern, während die Egoisten einander wohl eher behindern werden. Also müssten Gruppen, die aus Altruisten bestehen, schneller wachsen, und folglich der Anteil der Altruisten an der ganzen Population steigen.“
    Juvénal nickte: „Das scheint doch sehr einleuchtend zu sein!“
    „Dawkins konnte das aber leicht widerlegen: Wenn in der Gruppe der Altruisten auch nur ein paar wenige Egoisten sind, werden sie die anderen ausnützen und sich folglich schneller vermehren. Eine Zeitlang wird die Gruppe der Altruisten zwar

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