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Flusskrebse: Roman (German Edition)

Flusskrebse: Roman (German Edition)

Titel: Flusskrebse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Auer
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gehabt. Aber – na ja – ich war bloß in den Ferien.“
    „Sie sprechen sehr gut Französisch!“
    „Danke. Mögen Sie Pizza? Ich habe eine Pizza gekauft, aber sie ist mir zu viel. Man kann da keine kleine Pizza bekommen.“ Der Mieter machte die Schachtel auf. Der Pizzaiolo hatte die Pizza in sechs appetitliche Kreissegmente geschnitten.
    „Nein danke, ich bin nicht hungrig!“
    „Ach kommen Sie, mir ist das zu viel, ich kann das wirklich nicht aufessen!“
    Der Fremde konnte dem Anblick des Essens nicht lange Widerstand leisten. Er löste vorsichtig eines der Stücke heraus, ohne die anderen zu berühren. Der Mieter legte die Schachtel auf das Fensterbrett und nahm sich auch ein Stück.
    „Ihr Französisch ist auch sehr gut. Ist es Ihre Muttersprache oder haben Sie es in der Schule gelernt?“
    „In der Schule. Meine Muttersprache ist Kinyarwanda. Ruandisch.“
    „Sie sind Ruander? Habe ich auf Ihrer Karte nicht etwas von Kongo gelesen?“
    „Ja, die Gegend, wo ich herkomme, gehört zur Demokratischen Republik Kongo. Unsere Vorfahren sind aus Ruanda gekommen, vor mehr als hundert Jahren. Aber wir nennen uns BanyaMulenge .“
    „Demokratische Republik Kongo, ist das Zaire?“
    „Früher war es Zaire. Unter Mobutu. Seit Kabila heißt es wieder Demokratische Republik Kongo.“
    „Aber es gibt noch ein anderes Kongo?“
    „Ja. Die Republik Kongo. Das war früher Französisch-Kongo.“
    „Und Ihr Land war früher Belgisch-Kongo?“
    „Genau.“
    „Ich erinnere mich noch an Berichte über die Kongo-Wirren. Dunkel, ich war ein kleiner Bub damals. Lumumba und Kasavubu. Ich habe die Namen im Radio gehört. Lumumba wurde ermordet, nicht wahr?“
    „Ja. Aber da war nich noch nicht geboren. Ich bin 1984 geboren.“
    „Und seit wann sind Sie hier?“
    „Seit zwei Jahren.“
    „Mussten Sie fliehen?“
    „Ja.“
    „Und haben Sie Aussicht, dass Sie anerkannt werden, als Flüchtling?“
    Der junge Mann machte große Augen und hob die Schultern: „Ich weiß nicht. Ich bin schon einmal abgelehnt worden. Jetzt warte ich auf die Berufung.“
    „Warum mussten Sie denn fliehen? Welche Gründe haben Sie angegeben?“
    Der Fremde schüttelte den Kopf: „Es gibt tausend Gründe. Da, wo ich herkomme, ist niemand sicher, niemand. Alle hätten Grund zu fliehen. Es wird zuviel gekämpft, es gibt zu viele Armeen, zu viele Milizen, zu viele Banden. Man weiß nie, wer gegen wen kämpft. Wenn man einer Miliztruppe begegnet, heißt es: ‚Bist du Hutu oder Tutsi oder Bembe oder was?’ und wenn du zum falschen Stamm gehörst, kann es sein, dass sie dich töten. Aber wenn du zum selben Stamm gehörst wie sie, heißt es: ‚Warum kämpfst du nicht mit uns? Bist du ein Verräter?’ und wenn du nicht mit ihnen gehen willst, kann es erst recht sein, dass sie dich töten.“
    „Aber das sollte doch unseren Behörden bekannt sein?“
    „Sie verlangen für alles Beweise. Ob ich wirklich aus Kivu bin und nicht vielleicht aus einer anderen Provinz, wo nicht gekämpft wird. Ob ich nicht Verwandte in Kinshasa habe, zu denen ich hätte gehen können. Ob ich nicht vielleicht von der kongolesischen Armee desertiert bin, denn Deserteure werden nicht anerkannt als Flüchtlinge. Und so weiter. Alles, was ich sage, wird bezweifelt: ‚Sind Sie persönlich bedroht worden? Können Sie Zeugen für solche Drohungen anführen?’ Man versucht, mir Widersprüche nachzuweisen, und wenn nicht alles hundertprozentig zusammenpasst, dann heißt es, dass ich mir alles nur ausgedacht habe.“
    Das Licht ging aus und der Mieter drückte auf den Knopf, der es wieder einschaltete. Er merkte, dass er mit seinen Fragen seinen Gast noch gar nicht zum Essen hatte kommen lassen. Der biss jetzt herzhaft von seinem Stück Pizza ab. Der Mieter ließ ihn aufessen und bot ihm dann das nächste Stück an. Vom Essen erst recht hungrig geworden nahm der Gast es ohne viel Widerrede an.
    „Ich bin froh, dass ich mit Ihnen Französisch reden kann. Die meisten Menschen in diesem Land sprechen nur Englisch als Fremdsprache, und mein Englisch ist nicht sehr gut.“
    „In meiner Jugend war ich eben ein paar Mal in Frankreich. Und später habe ich mich sehr für die Werke eines französischen Wissenschaftlers interessiert. Jean-Henri Fabre. Und da habe ich dann ernsthaft Französisch studiert, weil seine Werke nicht auf Deutsch erschienen sind.“
    „Ich habe leider noch nicht von ihm gehört.“
    „Er war Biologe. Er hat das Verhalten der Insekten erforscht.Und er war

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