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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Freunde von der Polizei suchen zwar nach Ihnen, aber ich kann Ihnen versichern, dass sie noch nicht einmal in der Nähe sind.« Er wiederholte seine auffordernde Geste, diesmal mit etwas mehr Nachdruck. »Bitte!«
    Sie verließen das Gebäude auf dem gleichen Weg, auf dem sie es betreten hatten. Benedikt und seine beiden Bewacher waren bereits auf halbem Weg zu den beiden Geländewagen, die dicht hinter dem Tor standen; einer der beiden Flügel des Maschendrahttors war herausgerissen und meterweit davongeschleudert worden. Rachel nahm an, dass die Wagen einfach hindurchgerast waren.
    »Wohin bringen Sie mich?«, fragte sie, während sie in den Regen hinaustraten. Der Morast unmittelbar vor der Tür war aufgewühlt und von hellrosa Schlieren durchsetzt und sie machte instinktiv einen großen Schritt über die Stelle hinweg, an der der Verletzte gelegen hatte.
    »Das liegt ganz bei Ihnen«, antwortete der Dunkelhaarige.
    »An mir?« Rachel blieb stehen und drehte sich überrascht zu ihrem Entführer um, aber er scheuchte sie mit einer unwilligen Kopfbewegung in Richtung der beiden Landrover weiter. Rachel gehorchte, aber sie fragte sich gleichzeitig auch, warum sie diese Frage überhaupt gestellt hatte. Sie kannte die Antwort, die tatsächlich bei ihr lag. Sie konnte diese Männer entweder direkt zu Uschi führen – oder sie an einen Ort begleiten, der vermutlich sehr viel unangenehmer war als dieser verlassene Schrottplatz.
    Und das Schlimmste war: Tief in sich wusste sie, dass sie Uschi verraten würde. Keiner dieser Männer hatte sie bisher direkt bedroht, aber vielleicht war es gerade das, was ihr Angst machte. Wozu sie bedrohen, wenn sie diese Arbeit getrost ihrer eigenen Fantasie überlassen konnten?
    Ein greller Blitz zerriss die Wolkendecke, die sich mittlerweile von einem Horizont zum anderen über das Land gesenkt hatte, gefolgt von einem peitschenden Laut, als wäre irgendwo ein überdehntes Drahtseil zersprungen. Rachel fuhr erschrocken zusammen, aber sie sah aus dem Augenwinkel, dass es ihrem Begleiter noch sehr viel schlimmer erging: Er blieb abrupt stehen und für einen kurzen Moment erschien beinahe so etwas wie Panik auf seinem Gesicht. Er hatte sich nahezu sofort wieder in der Gewalt, aber nur nahezu, und sein Blick irrte noch einige Sekunden lang misstrauisch über die Reihen übereinander gestapelter Autowracks; ein Verhalten, das in einer Situation wie dieser fast normal erschien – wäre es nicht ein durch und durch natürliches Geräusch gewesen.
    »Es war nur ein Blitz«, sagte sie spöttisch. »Oder haben Sie etwa Angst, dass Gott selbst in die Geschichte eingreift?«
    Der Dunkelhaarige sah sie nur wortlos, wenn auch auf eine irgendwie vorwurfsvolle Art an, und Rachel bedauerte die Bemerkung bereits wieder. Nicht einmal, weil sie geschmacklos war. Es gab Dinge, die sagte man einfach nicht.
    »Das hat er schon längst, glauben Sie mir«, sagte der Dunkelhaarige, nachdem er sie eine Weile auf diese fast unheimliche Art angesehen hatte. »Gehen Sie weiter. Bitte. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Wie um seine Worte zu unterstreichen, zuckte über den Himmel ein weiterer Blitz, der diesmal zwar nicht in einer akustischen Explosion endete, dafür aber von einem dumpfen Donnergrollen gefolgt wurde, das unnatürlich lange anzuhalten schien. Als es vorüber war, deutete Rachel ein Achselzucken an und setzte sich in Bewegung.
    Obwohl es wenig mehr als ein Dutzend Schritte bis zu den beiden Wagen waren, war sie schon wieder bis auf die Haut durchnässt, als sie die Landrover erreichten. Der Regen war spürbar kälter geworden und ihr angeschlagener Knöchel machte ihr wieder zu schaffen. Sie humpelte, nicht stark, aber deutlich genug, dass es auffiel.
    Der Dunkelhaarige führte sie zu dem hinteren Landrover. Das Fahrzeug verfügte über drei Sitzreihen, von denen sich die beiden hinteren gegenüber standen. Auf einer davon saß der Mann, den Benedikt mit dem Schraubenzieher niedergestochen hatte. Er hatte Jacke und Hemd ausgezogen und zwei seiner Kameraden kümmerten sich um ihn; was bedeutete, dass seine Schulter bereits provisorisch verbunden war und sein Arm in einer behelfsmäßigen Schlinge hing. Aber sein Gesicht war grau, er saß so weit nach vorne gebeugt da, dass er wahrscheinlich bei der leisesten Bewegung des Wagens aus dem Sitz fallen würde, und der gerade erst angelegte Verband war schon wieder nass und dunkel von seinem Blut. Benedikt hatte zwar gesagt, dass er niemanden töten würde, aber

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