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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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es doch auch«, antwortete Benedikt. »Auch wenn wir im Moment eher hier herumstehen und kostbare Zeit vertrödeln.«
    Rachel verstand den Wink. Ohne ein weiteres Wort und sich dicht am Wasser haltend, ging sie voraus und folgte dem neu entstandenen See flussaufwärts. Ihre Erinnerung hatte sie nicht getrogen, aber sie konnte sich auf dem Gemisch aus dünnflüssigem Morast und kaum weniger rutschigem nassem Stein nur mit äußerster Vorsicht bewegen, und so vergingen abermals gut zehn Minuten, bis sie die Biegung erreichten und der Wasserfall vor ihnen lag. Rachel war überrascht und auf eine ungläubige Art erleichtert zugleich. Auch hier hatte sich das Wasser bis weit über seine eigentlichen Ufer hinaus ausgebreitet und war sogar ein gutes Stück weit in den Wald vorgedrungen, der Wasserfall selbst jedoch schien sich kaum verändert zu haben. Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte, vielleicht etwas wie eine Miniaturausgabe der Niagarafälle, in jedem Fall aber etwas viel Schlimmeres als das, was sie nun sah.
    Irgendwann vor etlichen hunderttausend oder vielleicht auch Millionen Jahren hatte ein Erdbeben den Boden an dieser Stelle so sauber wie mit einem Axthieb gespalten, so dass eine gut fünf Meter hohe, vollkommen senkrechte Felswand entstanden war, die das Wasser in unendlicher Geduld so lange bearbeitet hatte, bis sie so glatt wie sorgsam polierter Granit geworden war. Dennoch war es möglich, direkt in dieser Felswand nach oben zu klettern, denn es gab genau in der Mitte eine Anzahl faustgroßer Löcher und Vertiefungen, die beinahe wie eine Leiter nach oben führten und ganz eindeutig künstlichen Ursprungs waren. Rachel wusste nicht, wer diese Kletterhilfe angebracht hatte oder warum – vielleicht Kinder aus dem Dorf, die auf diese Weise nach oben stiegen, um von dort in den flachen See hinabzuspringen, den das Wasser im Lauf der Zeit am Fuß der Felswand ausgewaschen hatte, vielleicht auch jemand anders, aus einem vollkommen anderen, geheimnisvollen und möglicherweise längst vergessenen Grund. Gleichwie: Sie hatte diesen Weg schon ein paar Mal genommen und festgestellt, dass er nicht nur überraschend einfach war, sondern im Sommer sogar eine durchaus angenehme und willkommene Erfrischung darstellte. Der Wasserfall hatte nicht mehr Kraft als eine halb aufgedrehte Dusche und Finger und Zehen fanden in den künstlich angebrachten Vertiefungen sicheren Halt. Vermutlich wäre es selbst jetzt noch möglich gewesen, auf diese Weise nach oben zu kommen, denn der Wasserfall schien kaum an Gewalt zugenommen zu haben: Der Bach führte zwar deutlich mehr Wasser als normal, das im Moment aber eher gemächlich daherfloss und über die Kante plätscherte, statt sich in einem tosenden Strom in die Tiefe zu ergießen, wie sie erwartet hatte.
    »Wie kommen wir nach oben?«, erkundigte sich Benedikt.
    Rachel erklärte es ihm und Benedikt riss die Augen auf und starrte sie an. »Das … das ist nicht dein Ernst«, murmelte er. »Ich dachte, ich wäre der Verrückte hier.«
    Rachel gönnte sich den Luxus, sich einige Sekunden voll unverhohlener Schadenfreude an dem fassungslosen Ausdruck seines Gesichtes zu weiden, aber dann schüttelte sie den Kopf und machte eine neuerliche Geste zum Wasserfall hin.
    »Keine Sorge. Es gibt einen anderen Weg. Komm.«
    Sie ging an ihm vorbei und wich wieder ein Stückchen tiefer in den Wald zurück, gerade weit genug, um die etwas helleren Schatten zur Rechten als Orientierung zu nutzen, ehe sie losmarschierte. Benedikt warf ihr einen irritierten Blick zu, aber Rachel tat nichts, um seine Frage zu beantworten. Sie konnte ihm schließlich nichts von den Drachenaugen am Himmel erzählen. Wortlos gesellte sich Benedikt zu ihr und marschierte diesmal fünf Schritte hinter ihr her, statt die Führung zu übernehmen wie bisher. Da er den Weg ja nicht kannte, war das auch das Einzige, was überhaupt Sinn machte. Trotzdem fühlte sich Rachel auf völlig absurde Weise im Stich gelassen.
    Sie brauchten nur noch wenige Minuten, um den Wasserfall zu erreichen, und dort angekommen, erwartete sie eine böse Überraschung. Der Pfad existierte nicht mehr.
    Wo er sein sollte, befand sich ein Gewirr aus um- und übereinander gestürzten Bäumen, ausgerissenen Büschen, zerfetztem Unterholz und zersplitterten Ästen, als wäre der gesamte Hang ins Rutschen gekommen und hätte sich zu einem gewaltigen Trümmerhaufen aufgetürmt, um ihnen den Weg zu versperren. Vielleicht, überlegte sie, war genau

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