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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versuchte, dessen Oberkörper aus den Trümmern hervorzuziehen, gerieten diese zur Gänze ins Wanken und begannen sich mit einer auf unheimliche Weise flüssig wirkenden Bewegung nach vorne und zur Seite zu neigen, sodass Benedikt seine Bemühungen hastig aufgab und einen halben Schritt zurücksprang. Erst nachdem das Zittern und Beben wieder aufgehört hatte, wagte er es, sich dem Leichnam erneut zu nähern und sich in die Hocke sinken zu lassen.
    »Wer ist das?«, fragte Rachel.
    Die Frage war nicht deutlich intelligenter als die von gerade; selbst wenn Benedikt den Mann kennen sollte, wäre es nicht sehr wahrscheinlich, dass er ihn nur anhand seines linken Armes und der Hand identifizierte. Trotzdem hob er in einer hilflos wirkenden Geste die Schultern, beugte sich abermals vor und versuchte noch einmal – diesmal aber deutlich vorsichtiger –, den Toten aus seinem bizarren Grab zu befreien. Das Ergebnis war mäßig: Es gelang ihm, die Schulter und einen Teil des Körpers freizulegen, nicht jedoch Kopf oder Gesicht. Immerhin konnten sie erkennen, dass der Tote eine Art Uniform trug, auch wenn sie so verschmutzt und zerrissen war, dass sie vermutlich nicht einmal sein direkter Vorgesetzter hätte identifizieren können. Am Gürtel trug er eine lederne Pistolentasche. Rachel war nicht sonderlich überrascht, als Benedikt sie öffnete und die darin befindliche Waffe herauszog.
    »Ist das alles, was dich interessiert?«, fragte sie feindselig, als Benedikts Aufmerksamkeit sich von dem Toten abwandte und ganz auf die wuchtige schwarze Waffe konzentrierte.
    »Das ist eine deutsche Pistole«, sagte Benedikt.
    »Wie interessant«, entgegnete Rachel spitz, aber Benedikt schüttelte nur den Kopf und warf ihr einen raschen Blick zu.
    »Darkovs Männer benutzen israelische Waffen«, sagte er. »Immer.«
    »Und was bedeutet das?«, fragte Rachel.
    »Das dieser Mann hier nicht zu meinen ehemaligen Kameraden gehört«, erklärte Benedikt geduldig.
    Die Konsequenz aus diesen Worten war Rachel natürlich vollkommen klar, aber im Moment weigerte sie sich einfach, darüber nachzudenken.
    Benedikt stand auf. Sein Blick tastete noch einmal über den Toten beziehungsweise den kleinen sichtbaren Teil des Leichnams, dann schüttelte er bedauernd den Kopf, schob die Waffe scheinbar achtlos in die rechte Jackentasche und wandte sich zu Rachel um.
    »Die beiden Männer da unten im Tal«, sagte er. »Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.«
    Was bedeutete, dachte Rachel, dass er ihnen nahe genug gekommen war, um ihre Gesichter zu erkennen. Und vielleicht noch mehr zu tun.
    Sie verscheuchte den Gedanken und drehte sich mit einem Ruck nach rechts in die Richtung des Wasserfalls. Obwohl es mittlerweile fast vollkommen dunkel geworden war, hatten sie keine Mühe, den neu entstandenen See wieder zu finden: Das Rauschen des Wasserfalles war nicht einmal deutlich lauter als das Geräusch des Regens, aber so vollkommen anders, dass es ihnen sicher den Weg wies. Am Waldrand angekommen, blieb Benedikt jedoch wieder stehen und sah sich mit einer Mischung aus Misstrauen und kaum noch verhohlener Sorge um. Der grausame Fund hatte ihm anscheinend doch mehr zu denken gegeben, als er zugeben wollte.
    »Dort hinauf?« Er machte eine Kopfbewegung zu der fünf Meter hohen Steilwand und plötzlich kam Rachel die Idee, dort emporzuklettern, selbst völlig absurd vor. Aber die einzigen Alternativen wären gewesen, einen anderen Weg zu suchen, was bei dem Wetter und vor allem bei der immer schneller hereinbrechenden Dunkelheit so gut wie ausgeschlossen war, oder aber zurückzugehen und den offiziellen Wanderpfad zu nehmen – ein Umweg von zwei Stunden, wenn nicht mehr, der ebenso wenig in Frage kam. Also nickte sie und trat ohne zu zögern, wenn auch sehr vorsichtig in das knöcheltiefe Wasser hinein, nach links auf die Felswand zu.
    Im ersten Moment war es einfacher, als sie befürchtet hatte. Das Wasser war zwar eisig – viel kälter als der Regen –, aber ihre Schuhsohlen fanden auf dem unsichtbaren Grund sicheren Halt und es gab zumindest hier in der unmittelbaren Nähe des Wasserfalles keine nennenswerte Strömung. Dicht gefolgt von Benedikt, der sich Mühe gab, möglichst zuversichtlich auszusehen, trotzdem aber leicht angespannt wirkte und die Arme halb erhoben hatte, um nötigenfalls sofort zugreifen zu können, sollte sie doch das Gleichgewicht verlieren und stürzen, näherte sie sich der Felswand und trat in den stiebenden Wasservorhang hinein.
    Es

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