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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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immer noch nicht begriffen? Ist dir immer noch nicht klar, wer ich bin, wenn du wirklich die bist, für die alle dich halten?«
    Sie konnte nicht antworten. Sie konnte die Frage nicht einmal in Gedanken vollkommen nachvollziehen, aber nicht weil sie so schwierig gewesen wäre, sondern nur deshalb, weil sie die Antwort längst wusste.
    »Unsinn«, murmelte sie. »Das ist … vollkommener Unsinn.«
    »Das ist es nicht und das weißt du auch«, antwortete er, plötzlich wieder ganz ruhig, aber in einem Ton, der sie schaudern ließ. »Ich wollte, sie hätten mich erschossen.«
    »So etwas darfst du nicht sagen«, murmelte Rachel. »So etwas darfst du nicht einmal denken.«
    Er antwortete nicht mehr und vielleicht war das in diesem Moment das Schlimmste, was er überhaupt tun konnte.

Kapitel 17
    Es war heller geworden, das war das Erste, was ihr auffiel, als sie das Gebäude verließen. Der Himmel war nach wie vor schwarz, und zwar wolkenlos, aber völlig ohne Sterne, doch neben der blassen Dreiviertelscheibe des Mondes war eine neue, kalte Sonne aufgegangen. Der näher kommende Stern verstrahlte ein Licht, wie sie es nie zuvor gesehen hatte und vermutlich auch kein anderer Mensch auf dieser Welt: Es war weiß, wirkte aber irgendwie … staubig und es war kein Licht, das Zuversicht oder Hoffnung verbreitete, sondern nur etwas, das der finalen Dunkelheit vorauseilte, wie das letzte Aufflackern scheinbaren Lebens in einem Todkranken, bevor er sich dem Ende ergab. Es hatte nicht wieder zu regnen begonnen, aber die Luft war dennoch von klammer Kälte erfüllt und die weite Betonfläche vor ihnen war nass und reflektierte das Licht des falschen Sterns ausreichend, sodass man so gut wie in einer sternenklaren Vollmondnacht sehen konnte.
    Der Bus, von dem De Ville gesprochen hatte, wartete zwanzig Meter entfernt mitten auf der freien Fläche, was Rachel nicht verstand – es gab keinen Grund, warum der Fahrer nicht bis direkt an das Gebäude herangefahren war, aber außer ihr schien das niemandem aufzufallen; zumindest beschwerte sich niemand. Das Gefährt sah so altertümlich und wenig vertrauenerweckend aus, dass sie De Villes Zögern, Papst Johannes Petrus II. in diesem Wagen zu transportieren, plötzlich sehr viel besser verstehen konnte. Er war sehr groß und ähnelte nicht nur einem antiquierten Schulbus, wie man ihn aus amerikanischen Spielfilmen kannte, sondern war sogar noch in der passenden Farbe lackiert. Die Innenbeleuchtung brannte, sodass sie die verschwommenen Umrisse mehrerer Personen hinter den regennassen Scheiben erkennen konnte, und vor der offenen Tür hatten zwei von De Villes Soldaten mit gezückten Waffen Aufstellung genommen – eine Vorsichtsmaßnahme, die Johannes Petrus mit einem leichten, missbilligenden Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm, ohne sie jedoch zu kommentieren, wie Rachel mit einem raschen Seitenblick erkannte. Er schritt im Gegenteil nur ein wenig schneller aus und sie wollte sich seinem Tempo angleichen, aber De Ville bedeutete ihr durch eine rasche, fast herrische Bewegung, einige Schritte zurückzubleiben, und sie gehorchte.
    »Typisch«, murmelte Uschi neben ihr. Rachel verzichtete darauf, sie nach der Bedeutung dieser Bemerkung zu fragen, pflichtete ihr im Stillen aber bei. Vielleicht war es besser, De Ville nicht noch weiter zu reizen. Sie wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, aber ganz egal, was es war – sie war sicher, dass sie jeden Verbündeten bitter nötig brauchte.
    Sie erreichten den Bus und stiegen als Letzte ein. Abgesehen von ihnen selbst, De Ville und einem halben Dutzend bewaffneter Männer sowie Johannes Petrus und seinen beiden Begleitern hielten sich Frank und Tanja bereits im Inneren des Wagens auf. Die Beleuchtung brannte zwar, war aber nur sehr schwach, sodass sie Tanja erkannte, jedoch keine Einzelheiten und erst recht nicht ihr Gesicht sehen konnte. Trotzdem machte ihr Herz einen erschrockenen Sprung, als sie ihre Freundin sah. Frank und sie saßen auf der durchgehenden Sitzbank ganz am Ende des Busses und ihre Bewacher waren diskret genug gewesen, sie allein zu lassen. Rachel spürte sofort, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung war.
    »Setzen Sie sich«, sagte De Ville. Er machte eine Bewegung auf die freien Sitzplätze direkt vor ihr, aber Rachel zögerte. Nach allem, was bisher geschehen war, hatte sie erwartet, dass sie unverzüglich losfahren würden, und der Motor des Busses lief auch, aber die Tür blieb offen und der Fahrer machte keine

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