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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte.
    »Keine Angst«, sagte sie. »Wir schaffen es.«
    »Ja«, knurrte Frank. »Fragt sich nur, was.«
    »Halten Sie den Mund«, sagte De Ville zornig. Er war fast in der gleichen Haltung wie Rachel neben Johannes Petrus niedergekniet, hielt aber einen respektvollen Abstand von einem halben Meter, und in seinen Augen war etwas, das Rachel gar nicht gefiel. Obwohl er verletzt und sein Gesicht blutüberströmt war, wirkte er entschlossener und kraftvoller denn je, aber tief in seinen Augen flackerte auch eine nur noch mühsam unterdrückte Furcht, die Rachel sich nicht ganz erklären konnte. Johannes Petrus selbst hatte sich wieder auf die Knie erhoben und betete mit geschlossenen Augen. Seine Lippen bewegten sich, aber Rachel hörte nicht den mindesten Laut.
    »Was ist mit ihm?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht«, murmelte De Ville. »Es kann nur …« Er brach mitten im Wort ab. Sein Blick blieb auf Torbens nackten, schmutzigen Füßen hängen und für eine Sekunde weiteten sich seine Augen. Es hatte irgendetwas mit Torbens Verletzung zu tun, dessen war sich Rachel jetzt sicher.
    Sie verscheuchte den Gedanken und wandte sich wieder zu Tanja um. Tanja hatte sich zwar aufgesetzt, wirkte aber weiter verkrampft und zitterte am ganzen Leib und es gehörte nicht besonders viel Fantasie dazu, sich auszurechnen, warum. Mit einer fast zornigen Bewegung drehte sie sich wieder zu De Ville herum. »Wo ist eigentlich der Arzt, den Sie uns versprochen haben?«, fragte sie.
    Die Antwort auf ihre eigene Frage fiel ihr im gleichen Moment ein, in dem sie sie ausgesprochen hatte, und die Worte taten ihr sofort wieder Leid. De Villes Stimme war jedoch völlig frei von Vorwurf, als er antwortete.
    »Er hat in dem Wagen gesessen, der zurückgeblieben ist. Vielleicht haben sie ihn ja am Leben gelassen.« Aber das glaubte er nicht. Sowenig wie Rachel.
    Er gab sich einen Ruck und sah auf. »Wir müssen von hier verschwinden«, sagte er. »Schnell.« Er zog das Walkie-Talkie aus der Tasche, hielt es an die Lippen und drückte die Sprechtaste, sagte aber nichts. Einen Moment starrte er das Gerät mit gerunzelter Stirn an, drückte dann so heftig auf die Sprechtaste, als wolle er sie mit Gewalt ins Gehäuse pressen, und ließ die Hand schließlich mit einem angedeuteten enttäuschten Achselzucken wieder sinken.
    »Wir müssen weg hier«, wiederholte er. Er sah sich mit schnellen, hektischen Bewegungen um, blickte einen Moment lang aus eng zusammengekniffenen Augen in die Richtung, in der der brennende Bus lag, und dann direkt an Rachel vorbei in die entgegengesetzte Richtung. »In das Haus dort drüben«, sagte er. »Schnell!«
    Er wollte aufstehen, aber Rachel hielt ihn zurück. »Was ist mit Uschi und den anderen?«, fragte sie. »Wir können sie nicht einfach zurücklassen!«
    Im ersten Moment schien es, als würde De Ville erneut ärgerlich reagieren, und wahrscheinlich wollte er es auch, dann aber nahm er ihre Hand, die sie auf seinen Unterarm gelegt hatte, und schob sie fast sanft zur Seite. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Ihre Freundin ist tot.«
    »Tot?«
    De Ville nickte. »Es tut mir Leid«, wiederholte er. »Die Explosion hat sie erwischt. Sie und ich und die meisten anderen wurden aus dem Bus geschleudert, aber Ihre Freundin hatte keine Chance.«
    »Aber das … das … das kann doch gar nicht …«
    »Es ist sehr schnell gegangen«, sagte De Ville. »Wahrscheinlich ist es kein Trost für Sie, aber sie dürfte kaum etwas gespürt haben.«
    Er hatte Recht. Es war kein Trost. Sie versuchte gar nicht erst gegen die Tränen anzukämpfen, die ihr in die Augen schossen.
    »Bevor es uns ebenso ergeht wie ihr, sollten wir wirklich gehen«, drängte De Ville. »Ich bin sicher, dass Hilfe bereits unterwegs ist, aber wir dürfen trotzdem nicht einfach hier herumsitzen.«
    Rachel hörte seine Worte kaum. Sie konnte nicht fassen, dass Uschi tot sein sollte, nicht einfach so, nicht wie mit einer flüchtigen, unbedachten Bewegung weggewischt, wie etwas, das seinen Dienst getan hatte und nicht mehr benötigt wurde. Sie hatte längst begriffen, dass es in diesem Spiel nicht um alberne Vorstellungen wie Menschlichkeit, Gefühl oder gar Gerechtigkeit ging, und doch erschien ihr Uschis Tod als eine so unnötige, bewusste Grausamkeit, dass etwas in ihr zu sterben schien. Es war einfach nicht richtig!
    De Ville stand mit einer fließenden Bewegung auf, zog Torben sanft am Arm in die Höhe und nickte gleichzeitig in Tanjas Richtung. Wie

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