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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dem Augenwinkel eine weitere, geduckte Gestalt auf sich zurennen. De Ville. Heftig gestikulierend rannte sie ihm entgegen.
    »Wo sind die anderen?«, fragte sie. »Und wo –«
    »Wo ist Papst Johannes Petrus?«, schnitt ihr De Ville das Wort ab.
    »Dort hinten.« Rachel machte eine Kopfbewegung über die Schulter zurück. »Ihm fehlt nichts, keine Angst.«
    »Das will ich für Sie hoffen«, knurrte De Ville. Er lief weiter, ohne sie auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, und Rachel sah sich mit wachsender Verzweiflung auf der Straße um. Frank kniete noch immer dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte, aber weder von Uschi noch von den anderen war irgendeine Spur zu sehen. Dafür gewahrte sie auf der anderen Straßenseite immer mehr hektische Bewegung und immer mehr plötzlich auflodernde und wieder erlöschende orangerote Funken – das Mündungsfeuer von Gewehren, wie ihr nur zu deutlich bewusst war. Einer der Soldaten, die hinter dem brennenden Wagen Schutz gesucht hatten, ließ plötzlich seine Waffe fallen und kippte zur Seite und die anderen verstärkten ihr Feuer, auch wenn sie immer noch nicht sehen konnten, worauf sie eigentlich schossen. Irgendetwas schlug funkensprühend nicht weit von ihr entfernt auf die Straße und heulte davon, und Rachel beeilte sich weiterzulaufen und den Kopf einzuziehen.
    Frank hatte seine Fassung einigermaßen wiedergefunden, als sie ihn erreichte, und war gerade dabei, sich in die Höhe zu stemmen. Er sah sie an, aber alles, was sie in seinem Blick las, waren Vorwurf und Zorn. »Wo ist Tanja?«, fragte er. »Was hast du mit ihr gemacht, du Hexe?«
    Rachel kämpfte mit Mühe den Impuls nieder, ihm eine schallende Ohrfeige zu versetzen, und deutete nur knapp hinter sich.
    »Wenn du ihr etwas angetan hast, dann bringe ich dich um«, versprach Frank. Er war offensichtlich darum bemüht, dem Eindruck, den Rachel von ihm gewonnen hatte, mit aller Kraft gerecht zu werden. Rachel kam endlich zu dem Schluss, dass jeder weitere Gedanke, den sie an ihn verschwendete, ohnehin sinnlos war, ließ ihn einfach stehen und rannte weiter. Sie musste einen großen Bogen um den Bus machen, denn das Fahrzeug hatte mittlerweile rundum Feuer gefangen und brannte lichterloh; die Hitze, die es ausstrahlte, war wie eine kompakte, unsichtbare Wand, die es ihr unmöglich machte, auch nur einen Schritt in diese Richtung zu tun, und sie begann wieder zu husten und rang immer qualvoller um Atemluft. Trotzdem lief sie weiter und zwang sich, in das schmerzhaft grelle Licht zu blicken.
    Auch auf der anderen Seite des Wracks war die Straße mit Trümmern und brennenden Treibstofflachen übersät. Aber sie fand keine weiteren Toten mehr und auch hier war von Uschi oder Benedikt nichts zu sehen. Wo waren sie?
    Rachel sah sich mit immer noch weiter wachsender Verzweiflung um und trat schließlich widerwillig den Rückzug an.
    Als sie Tanja und die anderen erreicht hatte, waren auch zwei von De Villes Soldaten zu ihnen gestoßen. Einer war verletzt und sah aus, als könne er sich kaum noch auf den Beinen halten, während der andere sich in perfekter Soldatenmanier auf ein Knie niedergelassen hatte und sein Gewehr ständig im Halbkreis von rechts nach links und zurück schwenkte, um die Straße vor ihnen zu sichern. Der Anblick hätte Rachel Mut machen sollen, aber er machte ihr im Gegenteil klar, wie verzweifelt ihre Lage war. Wenn nicht schon wieder ein Wunder geschah (und irgendwann musste selbst ihr Vorrat an Wundern aufgebraucht sein), dann waren sie verloren. Aus irgendeinem Grund hatten sich die Angreifer noch am gegenüberliegenden Rand der Via Appia verschanzt und beschränkten sich darauf, ab und zu ein paar Schüsse auf das brennende Wrack des Mercedes und die beiden Verteidiger dahinter abzugeben, aber das konnte nicht mehr lange so bleiben. Wahrscheinlich, dachte Rachel bitter, warteten sie nur auf Verstärkung.
    Sie ließ sich neben Tanja und Frank ins Gras sinken und streckte die Hand nach Tanja aus, zog den Arm aber zurück, als sie Franks wütenden Blick bemerkte. Er war und blieb in ihren Augen ein Idiot, aber das spielte jetzt wohl keine Rolle mehr. Wenn seine Gegenwart Tanja half, war das alles, was zählte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie, wobei sie sich selber ziemlich albern vorkam.
    Dennoch nickte Tanja und versuchte sogar zu lächeln. Natürlich misslang es, aber allein der Versuch ließ Rachel innerlich aufatmen, zeigte er ihr doch, dass sie noch nicht allen Mut verloren

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