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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tanjas Namen zu schreien, aber alles, was über ihre Lippen kam, war ein gequältes Keuchen, gefolgt von einem qualvollen Hustenanfall. Die Hitze war so grässlich, dass sie zu spüren glaubte, wie ihre Haut Blasen schlug und sich von ihrem Gesicht löste, und der Rauch wurde mit jedem Sekundenbruchteil dichter und beißender.
    Rachel stolperte noch zwei Schritte weiter auf die weiß glühende Feuerhölle zu, dann gab sie endgültig auf, drehte sich herum und tastete sich ihren Weg zurück nach vorne. Sie fand einen weiteren Toten, taumelte blindlings weiter und schaffte es irgendwie, das vordere Ende des Busses zu erreichen und durch die zerborstene Frontscheibe hinauszuklettern. Hier lagen keine weiteren Toten, aber der Boden war nicht nur mit Glassplittern und Trümmern, sondern auch mit Blut bedeckt, und jetzt hörte sie in der Ferne Schüsse und ein dumpfes, fast rhythmisches Wummern, das das Geräusch eines Maschinengewehrs hätte sein können, wäre es dafür nicht zu tief gewesen. Mit angehaltenem Atem stolperte sie ein paar Schritte von dem brennenden Bus weg, hustete, um ihre Lungen von dem beißenden Rauch zu befreien, und versuchte die Tränen wegzublinzeln.
    Nur ein paar Schritte entfernt kniete Frank auf dem Boden. Er krümmte sich vor Schmerz und Atemnot, aber er lebte und Rachel rannte zu ihm und zerrte ihn unsanft an der Schulter herum. Frank keuchte vor Schmerz und versuchte instinktiv ihre Hand zur Seite zu schlagen. Er erkannte sie offensichtlich nicht einmal.
    »Tanja!«, schrie Rachel. »Wo ist sie?«
    Frank hustete ein paar Mal. Er kam nicht weit genug zu Atem, um antworten zu können, hob aber zitternd den Arm und deutete nach vorne, und als Rachels Blick der Geste folgte, sah sie Tanja nur einige Schritte entfernt am Boden liegen, verkrümmt und auf der Seite und mit ebenso zerrissenen und angesengten Kleidern wie Frank, aber offensichtlich ebenfalls noch am Leben. Hastig rannte sie hin, ließ sich neben ihr auf die Knie sinken und drehte sie vorsichtig auf den Rücken.
    Tanja wimmerte vor Schmerz und Angst. Eine erste, flüchtige Untersuchung zeigte Rachel, dass sie zumindest äußerlich nicht schwer verletzt zu sein schien, aber sie zitterte heftig und hatte beide Hände auf den Leib gepresst. Der Anblick ließ Rachels Herz zu einem Eisklumpen erstarren, aber er lähmte sie nicht weit genug, um sie die Gefahr vergessen zu lassen, in der sie immer noch schwebten.
    »Tanja!«
    Sie reagierte nicht. Tanjas Blick war klar, trotz allem, und Rachel war sicher, dass sie sie erkannte, aber sie konnte oder wollte nicht antworten.
    »Wir müssen weg hier!«, keuchte sie. »Kannst du mich verstehen? Wir müssen weg! Sie werden gleich hier sein!«
    Tanja schüttelte den Kopf, aber Rachel war ganz und gar nicht sicher, ob als Antwort auf ihre Worte oder ob es nur eine Reaktion auf Furcht und Schmerzen war, die sie quälten. Kurz entschlossen beugte sie sich vor, schob beide Hände unter Tanjas Achseln und richtete sie behutsam, aber dennoch sehr schnell auf. Tanja wimmerte erneut vor Schmerz und versuchte ganz instinktiv sich zu wehren, aber Rachel ignorierte ihre schwächliche Gegenwehr, stemmte sich vorsichtig in die Höhe und legte sich Tanjas rechten Arm um die Schulter. Als sie den ersten Schritt machte, wäre sie fast wieder gestürzt. Tanja schien eine Tonne zu wiegen und sie konnte spüren, wie ihre Kräfte jetzt immer schneller abnahmen.
    Als sie den zweiten Schritt machte, ertönte hinter ihr ein gellender Schrei. Rachel sah sich um und wurde mit einem Anblick belohnt, der schier das Blut in den Adern erstarren ließ. Papst Johannes Petrus II. taumelte schreiend hinter dem Bus hervor. Sein schwarzer Mantel war zerfetzt und qualmte und seine Schuhe hatten Feuer gefangen. Er schrie vor Schmerzen und Panik, machte noch zwei torkelnde Schritte und fiel schließlich hin. Keuchend wälzte er sich auf dem Boden, schlug mit schwächlichen, vergeblichen Bewegungen nach den Flammen, die seine Füße einhüllten, und tat schließlich das Einzige, was Sinn machte – auch wenn es Rachel in diesem Moment beinahe überraschte, denn Menschen, die in Todesangst sind und unerträgliche Schmerzen erleiden, tun selten etwas Sinnvolles und noch seltener etwas Richtiges: Er zog die Knie an den Körper, griff mit beiden Händen in die Flammen hinein und riss sich zuerst den rechten und dann den linken Schuh von den Füßen.
    Rachel wusste ungefähr eine halbe Sekunde lang nicht, was sie tun sollte. Tanja brauchte

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