Flut: Roman (German Edition)
und musste sich mit der rechten Hand abstützen, um nicht zu fallen. Die Zeit, die er dazu brauchte, reichte Darkov, um wieder auf die Beine zu kommen. Er war sichtbar angeschlagen und wirkte benommen. Blut lief aus seiner Nase und den aufgeplatzten Mundwinkeln und sein Gesicht begann bereits deutlich anzuschwellen. Trotzdem blockte er die Hiebe des Killers geschickt ab, als dieser sich erneut auf ihn stürzte.
Was folgte, war der bizarrste Kampf, den Rachel jemals beobachtet hatte. Nicht, dass sie schon viele gesehen hätte, außer im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand, aber es war weder eine wüste Schlägerei noch eine sorgsam choreografierte Kung-Fu-Show, sondern fast so etwas wie ein Tanz; voller eleganter, gleitender Bewegungen, die fast spielerisch wirkten, aber von tödlicher Präzision und warnungslos explodierender Kraft bestimmt waren. Und anders als die Hollywoodshows, die sie kannte, dauerte der Kampf auch nicht endlose Minuten, sondern nur wenige Augenblicke. Zwei, drei blitzschnelle Attacken und Konter, dann taumelte Darkov rückwärts auf die Treppe zu, von einem geschwungenen Fußtritt an der Hüfte getroffen und aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Angreifer setzte nach – und merkte zu spät, dass er auf eine Finte hereingefallen war. Darkov machte eine blitzartige Bewegung und der Mann krachte gegen die Wand und brach mit haltlos zuckenden Gliedern in die Knie. Rachel hatte nicht einmal gesehen, dass Darkov ihn getroffen hatte.
Aber auch der Sieger in diesem bizarren Kampf sah eher aus wie ein Verlierer. Darkov taumelte vor Erschöpfung. Er war kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten, und seine Nase und seine aufgeplatzte Lippe bluteten immer heftiger.
»Um Gottes willen!«, flüsterte Rachel benommen. »Was … was war das?« Wie lange hatte der Kampf gedauert? Zehn Sekunden, fünfzehn? Kaum länger.
»Nicht jetzt«, sagte Darkov. »Wir müssen weiter. Es wird bald hell und er wird bald wieder zu sich kommen. Und er ist nicht allein.«
Rachels Gedanken überschlugen sich. Die ganze Situation – das, was sie tat – war der helle Wahnsinn. Statt auch nur mit Darkov zu reden, sollte sie die Beine in die Hand nehmen und zu den Polizisten in die Halle zurücklaufen, so schnell sie konnte!
Stattdessen setzte sie sich die Treppe hinab in Bewegung und folgte Darkov. Sie war wahnsinnig!
Unten angekommen, stieß Darkovs Fuß gegen das Gewehr des Attentäters, das klappernd davonschlitterte. Er warf ihm nicht einmal einen Blick nach, geschweige denn, dass er versuchte, es aufzuheben, sondern näherte sich der blau gestrichenen Feuerschutztür, die zur eigentlichen Tiefgarage führte, und drückte die Klinke herunter. Sie musste entweder außergewöhnlich schwergängig sein oder er war buchstäblich am Ende seiner Kräfte, denn es kostete ihn so große Mühe, dass Rachel schon überlegte, ihm zu helfen. Plötzlich aber schwang die Tür auf und Darkov stolperte in den dahinter liegenden Raum. Rachel folgte ihm in geringem Abstand.
***
Die Tiefgarage war vollkommen verlassen – Gott sei Dank! – und Darkov machte nur ein paar Schritte, ehe er stehen blieb und sich mühsam zu ihr herumdrehte. »Ich kann nicht weiterlaufen«, murmelte er. »Bist du mit dem Wagen hier?«
Rachel verneinte. »Aber ich weiß, wo wir einen finden«, sagte sie. »Komm!« Also gut, dann war der Wahnsinn eben komplett. Jetzt war sie es, die ihm bei der Flucht half. Nicht genug damit, standen sie auch noch im Begriff, einen Wagen zu stehlen. Und damit es sich lohnte, auch noch den eines Kriminalbeamten. Das alles konnte sie doch nur träumen?
Und dennoch eilte sie auf Naubachs rostroten Mercedes zu, riss die Tür auf und machte eine einladende Handbewegung, aber Darkov schüttelte auch diesmal nur den Kopf. »Du fährst«, sagte er. »Ich kann nicht.«
»Auch das noch«, murmelte Rachel, nahm aber gehorsam hinter dem Steuer Platz und streckte ganz automatisch die Hand nach dem Zündschlüssel aus. Natürlich war keiner da. Naubach war zwar zu bequem gewesen, den Wagen abzuschließen, aber leider nicht so leichtsinnig, auch noch den Schlüssel im Schloss stecken zu lassen.
Darkov ließ sich neben ihr auf den Beifahrersitz fallen und sackte erschöpft in sich zusammen. »Fahr los«, murmelte er.
»Das würde ich ja gerne«, sagte Rachel unglücklich. »Wissen Sie vielleicht, wie man einen Wagen kurzschließt?«
Darkov langte mit der linken Hand herüber, griff unter das Zündschloss und riss es mit einem
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