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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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hergerufen haben.
    Der Arme hat nichts herausgefunden. Sie haben ihn die ganze Zeit nur belogen.
    Waren Sie die Freundin meines Großvaters?
    Ja. Ich war sehr jung. Ich hab geglaubt, er würde mich von hier fortbringen, das hat er jedenfalls immer gesagt. Die Liebe ist das Herz der Verzweiflung.
    Sie waren nicht bei dem Fest, in der Nacht, in der er starb, oder?
    Nein. Ich bin zu Hause geblieben. Mir war schlecht. Ich …
    Sie seufzt und zittert.
    Alles in Ordnung?
    Sie dreht sich zu ihm um, ohne ihn anzusehen. Sie blickt ins Leere. Ihr faltiges Gesicht ist angespannt, und ihre Augen sind entzündet.
    Was haben sie dir erzählt? Dass er ein Gespenst ist? Oder ein Teufel? Dass er nie sterben wird? Dass er einen Fluch über Garopaba gebracht hat? Dass er die Mädchen tötet, um sich zu rächen? Es war kein Platz dort für ihn, aber er wollte unbedingt bleiben. Dieser Sturkopf. Es ging das Gerücht um, er hätte die Tochter von José Feliciano getötet. Aber er war es nicht. Er hat es mir geschworen. Niemand weiß, wer es war. Aber sie haben einfach den erstbesten Anlass genutzt, um ihn loszuwerden. Zu der Zeit kamen immer mehr Leute aus dem Süden her, und den Einheimischen gefiel das nicht. Es gab viel Streit deswegen. Dein Großvater ließ sich nichts gefallen und drohte oft mit dem Messer. Alle hatten Angst vor ihm. Er war sehr groß und stark. Wenn er nach Fischen tauchte, verschwand er im Meer und kam nicht wieder hoch. Viele hielten das für einen Trick. Sie meinten, er sei gefährlich. Aber das war er nicht. Er konnte nur nicht gut mit anderen Menschen umgehen. Im Inneren war er warmherzig, und sehraufrichtig. Er war zärtlich. Ich bin an jenem Tag nicht zu dem Fest gegangen, weil mir schwindelig war. Ich war schwanger. Er hat es nie erfahren. Vielleicht hätten sie ihm nichts angetan, wenn ich mitgegangen wäre.
    Was haben sie mit ihm gemacht?
    Ich hab dem Kommissar ein Telegramm geschickt, weil ich dachte, er wäre vielleicht nur verschwunden. Trotz des ganzen Blutes. Aber ich wollte den Leichnam sehen. Ich wollte den Vater meines Kindes finden.
    Was haben sie mit ihm gemacht, Santina?
    Später habe ich das Kind verloren. Wäre es geboren worden, wäre es jetzt dein Onkel.
    Was haben sie mit meinem Großvater gemacht?
    Sie haben das Licht ausgemacht und auf ihn eingestochen. Mehrere Männer auf einmal, und ich kenne den Namen von jedem Einzelnen. Man hat versucht, es vor mir zu verbergen, aber mit der Zeit habe ich alles herausgefunden. Diese Männer, die versucht haben, ihn umzubringen, sind inzwischen alle tot. Angeblich haben sie mehr als hundert Mal zugestochen. Als das Licht wieder an war, lag er dort. Jemand ging ein Laken holen, um ihn darin einzuwickeln und in irgendeine Höhle im Urwald zu werfen. Das dauerte eine Weile, und bevor sie alles arrangiert hatten, stand er plötzlich auf. Nachdem er die ganze Zeit dort gelegen hatte. Auf einmal bewegte er sich und stand auf. Er zückte sein Messer, das noch immer an seinem Gürtel steckte. Alle wichen zurück, und er sah einem nach dem anderen in die Augen und schwor ihnen, sie alle umzubringen. Es gab ein großes Geschrei, aber keiner hatte den Mut, sich ihm zu nähern und die Sache zu Ende zu bringen. Er konnte unmöglich noch leben. Um ihn herum sah es aus, als hätten sie einen Ochsen geschlachtet. Sie drängten ihn in Richtung Strand, während er mit dem Messer fuchtelnd schwor, zurückzukommen und sich jeden Einzelnen von ihnen zu holen. Und dass er ihre Frauen und Kinder töten würde. Ein paar Leute behaupteten, er hätte etwas inSprachen gebrüllt, die gar nicht existierten. Andere meinten, er hätte Feuer in den Augen gehabt. Dann taumelte er durch den Sand und lief ins Wasser. Er schwamm aufs offene Meer hinaus und verschwand. Bis heute glauben die Leute, er habe sich in einen Geist verwandelt. Sobald man über ihn rede, würde er auftauchen, und etwas Schreckliches würde passieren. Er habe sich in einen Geist verwandelt. Diese Angst haben die Leute an ihre Kinder vererbt. Ist dir das nicht aufgefallen? Wenn ein Mädchen getötet wird, behaupten sie, dass er es war. Selbst wenn der wahre Mörder gefunden wird. Nichts kann sie von diesem Glauben abbringen. Sein Geist würde nicht ruhen, bevor er nicht alle Nachkommen seiner Mörder getötet hat. Er würde nie aufhören, selbst nach seinem Tod. Sogar die, die wussten, dass er noch lebte, erzählten diese Geschichten, damit die Leute glauben konnten, er wäre gestorben, damit sie vergessen

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