Flut
von allen Seiten auf ihn ein. Er landet ein paar Treffer, kann aber schon nichts mehr erkennen. Jemand krallt sich in sein Haar und schlägt seinen Kopf auf eine Kühlerhaube, Nase und Mund füllen sich mit Blut. Ein anderer springt ihm in den Rücken und reißt ihn mitten auf der Straße zu Boden. Er hat keine Kraft mehr, sich zu wehren. Zusammengerollt bleibt er liegen und hört die Hündin bellen, bis es vorbei ist.
Ein Auto hat angehalten, im Scheinwerferlicht sieht man die Silhouetten von Schaulustigen in sicherem Abstand. Immer mehr Menschen kommen dazu. Er schleppt sich auf den Bordstein und stellt fest, dass er quer über die ganze Straße getreten wurde. Er presst die Lippen zusammen, als könnte ihm sonst etwas Lebenswichtiges aus dem Mund laufen.
Bringt ihn weg von hier, sagt jemand.
Bringt ihn an den Strand.
Mehrere Hände packen ihn an Armen und Beinen, tragen ihn ein Stück und legen ihn sanft in den kalten, harten Sand, als wollten sie ihm auf keinen Fall wehtun. Er atmet schwer, das Blut blubbert in seinem Mund.
Ihr müsst ihn hinsetzen.
Jemand richtet ihn auf, bis er schwankend dasitzt wie ein Turner, der versucht, mit aller Kraft das Gleichgewicht zu halten.
Schaffst du es nach Hause?
Ich muss die Hündin holen.
Geh nach Hause.
Sie lassen ihn allein. Langsam kann er wieder sehen. Er lehnt an der Mauer der Standpromenade, dem Meer zugewandt. Zwei Männer kommen die Treppen runter.
Wie geht es dir?
Brauchst du Hilfe?
Er muss ins Krankenhaus.
Willst du ins Krankenhaus?
Wo wohnst du?
Er kann nicht reden.
Ich hol die Polizei.
Bleib du bei ihm.
Einer der Männer hockt sich neben ihn und stellt ihm hin und wieder eine Frage, aber er versteht ihn nicht richtig. Er hört nur Betas unermüdliches, entferntes Bellen. Sie hat es zurück geschafft. Humpelnd. Den ganzen Weg über die Hügel.
Langsam richtet er sich auf. Hustend versucht er, sich auf den Beinen zu halten. Der Mann, der bei ihm geblieben ist, fasst ihn am Arm und sagt, er solle sich nicht bewegen, aber er macht sich los und wirft ihm einen Blick zu, der weitere Erklärungen zu erübrigen scheint, jedenfalls versucht er nicht mehr, ihn zurückzuhalten. Schritt für Schritt wagt er sich vor.
Er taumelt durch den Sand bis zur Treppe, steigt die Stufen hinauf, läuft ein Stück an der Promenade entlang und überquert dann die Straße in Richtung Bar. Er wischt sich mit den Ärmeln seiner Jacke das Blut von den Augen und muss wieder husten. Die restlichen Schaulustigen verstummen und starren ihn an. In der Bar zeigt jemand auf die Straße, woraufhin die anderen sich umdrehen. Er nähert sich bis auf zwei Schritte.
An einem der Tische sitzen fünf Männer. Der Kellner steht immer noch hinter seinem Tresen und trocknet mit einem weißen Handtuch Gläser ab. Alle blicken ihn an, niemand sagt etwas. Er kann sich an keines der Gesichter erinnern undsieht sich jeden Einzelnen genau an. Das Blut läuft ihm in die Augen, und er verzieht blinzelnd das geschwollene Gesicht. Vier der fünf Typen tragen eine Baseballmütze, drei sind blond, mehr kann er nicht erkennen. Er führt die Hand zum Kinn und wringt seinen blutdurchtränkten Bart von oben bis unten aus, ein rotes Rinnsal bildet eine Pfütze auf dem weißen Pflaster.
Wer von euch hat nochmal meine Hündin?
Das ist nicht dein Ernst.
Der steht unter Schock, ey.
Er kommt näher und fährt sich mit der Zunge über die Zähne, zwei Backenzähne sind zersplittert, ein Schneidezahn wackelt.
Ich kann mir keine Gesichter merken. Wer von euch war das?
Ich war das.
Ah, ja.
Hast du noch nicht genug, du Penner?
Kann ich jetzt meine Hündin mitnehmen?
Himmel Herrgott, gib ihm endlich seinen Hund, sagt der Bärtige hinter dem Tresen.
Das ist mein Hund, sagt der Surfer.
Na, dann würde ich gerne mal wissen, ob du es auch ohne deine kleinen Freundinnen da mit mir aufnimmst.
Was?
Er wiederholt den Satz Silbe für Silbe und versucht, trotz kaputter Lippen und zerbissener Zunge noch deutlicher zu sprechen.
Ich trete keine toten Hunde. Geh nach Hause, Arschloch.
Er spuckt ihm das ganze Blut, das sich in seinem Mund angesammelt hat, ins Gesicht. Der Einheimische bleibt einen Moment lang regungslos sitzen, wischt sich das Blut ab, steht auf und wendet sich an seine Tischnachbarn.
Wartet mal kurz.
Er tritt zurück auf die Straße und wartet auf seinen Gegner. Er hebt die Arme in Kampfstellung, kassiert direkt drei schnelle Faustschläge ins Gesicht und geht zu Boden.
Jemand will ihm
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