Flut
Maske, das Gerät, das Geräusche wie der Motor einer Swimmingpoolpumpe machte, der zustimmende Blick seiner Mutter, die danebensaß und aufpasste. Es ist das schmalste 25-Meter-Becken, das er je gesehen hat, es hat nur drei Bahnen, die bisher lediglich durch marineblaue Kacheln voneinander abgetrennt sind. Zwei Schwimmer sind im Wasser, auf jederSeite einer. Der linke ist älter und dicker, trägt eine gelbe Schwimmbrille und Flossen und erzeugt die Schläge, die er am Empfang gehört hat. Er hebt langsam den rechten Arm ganz aus dem Wasser, als wollte er die Hand so weit wie möglich vom Körper weg strecken, hält ihn etwa eine Sekunde lang in dieser Position und lässt ihn dann runtersausen, wie bei einem Katapult, so dass er mit einem heftigen Knall auf dem Wasser landet und es in einem Umkreis von mehreren Metern spritzt. Der linke Arm hingegen verlässt das Wasser nicht und beschreibt eine kaum wahrnehmbare Bewegungohne jede Triebkraft. Ohne seine Flossen würde er sich kaum von der Stelle bewegen. Die Schwimmbäder auf der ganzen Welt sind voll von solchen komischen Fällen, und sie sind selten heilbar. Der rechte Schwimmer ist jünger und schwimmt gut. Er hat Rhythmus, atmet bei jedem vierten Schlag, aber seine Beine überschneiden sich, und der rechte Arm geht zu weit nach außen. Er macht eine geübte, flüssige Wende, taucht schnell wieder auf, durchquert das Becken und hält sich dann keuchend am Beckenrand fest, sieht auf seine Uhr und wartet zwanzig Sekunden, bis er sich wieder abstößt. Es sind jedes Mal hundert Meter, die er in ungefähr einer Minute dreißig schwimmt, manchmal sind es auch einsachtundzwanzig oder siebenundzwanzig. Während er dem Mann zusieht, zählt er die Sekunden automatisch im Kopf mit. Typische Schwimmerkrankheit. Im Laufe der Jahre ist seine innere Uhr immer genauer, fast unfehlbar, geworden.
Am Freitagnachmittag ruft ein Mensch namens Zé an, ein Barbier aus Ambrósio, der sich für den Fiesta interessiert. Die beiden treffen sich an der Tankstelle. Zé inspiziert das Wageninnere, überprüft den Motor und sagt, er könne ihm das Geld in bar geben. Sie fahren direkt nach Laguna, um den Wagen umzumelden. Die ganze Aktion dauert keine zwei Stunden. Zurück in Garopaba parken sie vor seinem Salon. Er überreicht dem neuen Besitzer Schlüssel und Papiere und bestellt in der Bar nebenan eine Cola. Der Barbier bietet ihm an, ihn zu rasieren.
Danke, aber ich will ihn mir wachsen lassen.
Soll ich ihn stutzen?
Was hieße das?
Stutzen? Den Bart stutzen. In Form bringen.
Aber inwiefern? Kürzer machen?
Hast du noch nie deinen Bart gestutzt?
Ich hab ihn noch nie wachsen lassen.
Ein Betrunkener mit rasiertem Kopf, der allein an der Barsteht und Bier trinkt, sagt etwas Unverständliches und starrt ins Leere. Die feuchten Augen glänzen in seinem roten, aufgedunsenen Gesicht.
Wie lange hast du dich nicht rasiert? Drei Monate?
Etwas über zwei.
Du musst dir den Bart mal stutzen lassen. Damit er ordentlich wächst.
Lieber nicht.
Geht aufs Haus.
Und wie sieht das genau aus?
Man nimmt ein bisschen was mit der Schere ab und rasiert dann hier am Hals und im Gesicht die Kontur.
Zé fährt mit dem Finger die Linie ab, an der er die Kontur schneiden will. Er ist fast sechzig, klein, hat graue Haare und von der Sonne ruinierte Haut. Insgeheim scheint er irgendetwas komisch zu finden, und ihm fällt auf, dass er dasselbe Gefühl auch bei anderen Einheimischen hatte.
Okay, dann machen Sie die Kontur, aber nicht den Bart kürzen.
Die Prozedur dauert länger als erwartet. Der Barbier arbeitet in Zeitlupentempo. Der verstellbare Stuhl steht in der Mitte des Raumes. Die Sonne blendet ihn durch das offene Fenster. Darunter steht ein Schemel, daneben ein Schubladenschränkchen, und an der Wand hängt ein quadratischer Spiegel mit orangenem Rahmen. Sonstige Utensilien sind nicht zu sehen. Zé kommt mit einer Schüssel warmem Wasser und einem Rasiermesser aus dem Bad. Er legt ihm ein heißes Handtuch aufs Gesicht und nimmt es erst wieder weg, als es abgekühlt ist. Er hat nicht die geringste Eile. Durch das Fenster sieht er den Betrunkenen aus der Bar über die Straße schwanken, in einen LKW steigen und losfahren. Zé trägt mit einem Rasierpinsel Schaum an Hals und Wangenknochen auf. Die überaus präzisen Bewegungen sind von längeren Pausen unterbrochen.
Wohnst du in Garopaba?
Ja, ich bin gerade hergezogen.
Surfst du?
Nein. Ich schwimme nur.
Und was willst du hier?
Wohnen. Ich
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