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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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sie eine Melodie auf dem Klavier nach. Vielleicht spielt sie Klavier oder hat es als Kind getan. Das Repertoire von Liebkosungen eines Menschen hat etwas Bewegendes, wenn man darüber nachdenkt. Warum berührt man jemanden auf die eine oderandere Art? Das kann verschiedene Gründe haben. Weil wir glauben, dass etwas gut ist; weil man uns sagt, dass es gut war; weil wir es erlebt haben und gut fanden; weil es zufällig passiert oder weil wir es einfach so tun und nicht anders. Sie kommt, praktisch ohne einen Laut von sich zu geben, genau genommen sogar tatsächlich in absoluter Stille. Und mit geschlossenen Augen. Kein Pieps. Er kann die Wellen hören. Von all dem wird er nicht ein einziges Detail vergessen. Noch Monate oder Jahre später wird er sich daran erinnern können und wissen, dass sie es war. Ein weiteres Mal staunt er, auf welch unterschiedliche Art und Weise die Welt sich seinen Sinnen offenbaren kann. Nichts geht verloren, außer den Gesichtern. Dália, die ganz still an seiner Seite schläft, ihre Wärme, ihr Po an seiner Hüfte, ihr Rücken an seiner Schulter, die Wellen, die fast ans Fenster schlagen. An all das wird er sich erinnern.
    Die Academia Swell liegt an der Zufahrt zum Morro da Silveira, kurz vor der kurvigen Steigung, die mitten durch den Berg zum Strand auf der anderen Seite führt. Als er durch das Tor tritt, entdeckt er als Erstes eine Art Bretterverschlag, in dem eine Snackbar mit ein paar runden Holztischen untergebracht ist. Er wirft einen Blick durch die Tür und sieht hinter dem Tresen die Bedienung stehen, eine junge Frau mit indianischen Zügen und glattem schwarzen Haar. Sie erklärt ihm auf Spanisch den Weg zum Empfang. Er läuft den gepflasterten Weg entlang, vorbei an einem großen unverputzten Backsteingebäude mit Asbestdach, in dem, den Ausmaßen und den kleinen beschlagenen Fenstern nach zu urteilen, das vor Kurzem eingeweihte beheizte Schwimmbad untergebracht sein dürfte. Er öffnet die Glastür des Pavillons am Ende des Geländes und betritt den Empfangsbereich. Links ist der Fitnessraum. Ein paar Besucher trainieren an veralteten Geräten. Überall stehen Pflanzen, und an den schmutzigen Wänden hängen farbige Reproduktionen hinduistischerGottheiten, wie er annimmt, Geschöpfe mit weiblichen Zügen oder auch Rüsseln, die mit leicht arroganter Gelassenheit Glück und Erotik ausstrahlen, teilweise haben sie blaue Haut und diverse rundliche Arme, in den zarten Händen Dreizacke und ähnliche Objekte. Die Nachmittagssonne wirft einen goldenen Schein auf Wände und Geräte, und die Klimaanlage ist an einem milden Märztag wie diesem außer Betrieb. Das Ambiente ist nicht gerade typisch für ein Fitnessstudio und erinnert eher an einen Tempel, in dem Sport als Ritual der Erleuchtung praktiziert wird. Aus verborgenen Lautsprechern ertönt leise Reggae, was ein bisschen unpassend wirkt. Die Blondine am Empfang begrüßt ihn.
    Guten Tag. Ich hab gehört, ihr habt gerade ein Schwimmbad eröffnet.
    Sie drückt ihm einen Flyer mit Öffnungszeiten und Tarifen für Fitnessstudio und Schwimmbad in die Hand.
    Wissen Sie, ob die noch einen Schwimmlehrer suchen?
    Ah, da müssen Sie mit Panela reden.
    Mit Panela.
    Dem Besitzer.
    Beide lächeln.
    Und wo ist dieser Panela?
    Der müsste in einer halben Stunde da sein. Oder Sie kommen später wieder und reden mit seinem Partner.
    Sie hört auf zu lächeln und sieht ihn weiter an. Sie ist ein bisschen dick, hat ein sonnengegerbtes Gesicht, Sommersprossen und eine Stupsnase. Aus dem Schwimmbad ist ein Knallen zu hören, als würde jemand mit einer Schaufel aufs Wasser schlagen. Ihre Arme sind beide mit bunten Tätowierungen bedeckt, unter anderem eine Welle im Stil japanischer Malerei, ein Tribal in Form eines Armreifs und ein Delfin. Er grinst.
    Wollen Sie mir den Namen verraten?
    Doch. Tábua. Er ist immer abends da.
    Sie schmunzeln und sehen sich an wie Freunde, die einenPlan aushecken, um sich an jemandem zu rächen. Ein angenehmes Gefühl, das aus dem Nichts zu kommen scheint.
    Okay, ich warte auf Panela. 2
    Okay.
    Kann ich mir das Schwimmbad mal ansehen?
    Klar.
    Wie heißen Sie?
    Débora.
    Die Halle wirkt von innen viel kleiner als von außen, weiße Schwaden und ein starker Geruch nach Chlor und Keramikhängen im Raum. Er atmet die feuchtwarme, etwas beißende Luft ein und fühlt sich wie zu Hause. In Hallenbädern erinnert er sich jedes Mal daran, wie er als Kind wegen seiner Bronchitis mit einem Zerstäuber inhalierte, die grüne

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