Flut
Mann mit dem Hammer?
Bonobo?
Bobo?
Nein, Bo-nooo-bo!
Am Selbstbedienungstresen füllt sich Pablo Kokos, Weintraube und Stracciatella in seinen Styroporbecher. Obendrauf kommen bunte Streusel und ordentlich Kondensmilch. Seine Mutter hat gesagt, er darf sich aussuchen, was er will, solange es nicht zu viel ist und nicht mehr als fünf Reais kostet. Pablo ist ein umgängliches Kind, jedenfalls ihm gegenüber. Er beschwert sich nicht und äußert keine extravaganten Wünsche. Dália sagt, er sei manchmal ganz schön dickköpfig und hyperaktiv, vielleicht leide er an einer bipolaren Störung oder so etwas. Auf dem Schulhof erkennt er den Jungen unter den ganzen anderen Kindern nicht, aber normalerweise schnappt sich Pablo seinen Ranzen und kommt auf ihn zugelaufen. Er muss nur dastehen und ein bisschen warten.
Pablo holt aus seinem Spongebob-Ranzen die Schwimmbrille, die er ihm bei ihrem ersten Treffen mitgebracht hat. Seitdem ist er der Onkel mit der Brille. Der Junge setzt sie auf und isst sein Eis.
Und, Pablito? Willst du jetzt schwimmen lernen?
Nein.
Ich bring es dir bei.
Okay.
Du kannst die Brille auch beim Fahrradfahren aufsetzen. Dann sind deine Augen geschützt.
Okay.
Er fährt durch mehrere Seitenstraßen und liefert den Jungen zu Hause ab. Heute bleibt er nicht zum Kuchen. Er will nicht wissen, warum er ein Vampir ist. Auf dem Rückwegkommt er an der Ecke vorbei, an der die beiden Männer die Wand eingerissen haben. Jetzt sind sie dabei, eine Gefriertruhe mit dem Logo der Eismarke Kibon auf die Ladefläche eines Pick-ups zu verfrachten. Was ihnen offensichtlich nicht gelingt. Der Mann ohne Schultern, der Pablo zugerufen hatte, dreht sich nach ihm um und brüllt:
He, Alter! Hilf mal eben mit.
Er bremst ab. Zwei Wände haben sie bereits auseinandergenommen. Um sie herum liegen Glasscherben, zerbrochene Backsteine, Zementbrocken, Eisenstangen, Fensterrahmen und diverse andere Trümmer. Vor der Mauer zum Nachbargrundstück steht die verrostete Karosserie eines beigen Käfers. Ein Dutzend zerdrückte Bierdosen sind über den Rasen verteilt, den während der Saison offenbar Horden von Urlaubern plattgetreten haben. Neben dem ehemaligen Kiosk steht eine halbvolle Flasche Smirnoff Vanilla. Die Sehnen an den Hälsen der Männer treten hervor, die Gefriertruhe droht, ihnen aus den Händen zu rutschen. Er legt das Fahrrad auf den Boden und eilt ihnen zu Hilfe.
Komm her, sagt Bonobo. Wir müssen die Truhe hier auf die Ladefläche schaffen. Pack mal mit an, das Scheißding fällt gleich runter.
Buenas , begrüßt ihn der andere. Er wirkt etwas älter, hat eine schwarze Tolle, ein schmales Kinn, gelbe Zähne und ein von der Sonne verbranntes, zerfurchtes Gesicht. Er trägt Ohrringe an beiden Seiten, blau-schwarz karierte Surfershorts und ein dreckiges und verschwitztes rosa Polohemd.
Das ist Altair, sagt Bonobo, während er unter die Gefriertruhe greift und sie mit anhebt. Nach ein bisschen Geschiebe und Gezerre sitzt der Kasten fest.
Danke für die Hilfe, Alter. Ich hab dich vorhin mit Pablo hinten drauf vorbeifahren sehen. Vögelst du Dália?
Kann man sagen.
Nicht schlecht.
Woher kommst du, fragt Altair. Du bist neu hier, oder?
Er antwortet, er sei vor Kurzem hergezogen, und erzählt ihnen die ganze Geschichte. Die beiden hören nur mit halbem Ohr zu. Sie sind erschöpft und außer Atem, benommen vom Alkohol und der körperlichen Anstrengung. Bonobos Hemd hat schwarze Ärmel mit gelben Streifen, ein Grêmio-Trikot, ausgewaschen und voller Flecken und Löcher.
Das kennt niemand mehr, sagt er stolz. War mal das Torwarttrikot. Gomes und Sidmar haben es getragen, 1991.
Bonobo hat eine Kette mit verschrumpelten braunen Kügelchen um, die wie Nüsse aussehen, und seine Hose kann sich nicht zwischen Bermudashorts und Hochwasser entscheiden.
Was macht ihr eigentlich hier?
Wir reißen den Kiosk ab, sagt Altair.
Ja. Aber warum?
Altair muss das Grundstück bis morgen um zwei zurückgeben, sagt Bonobo. Ohne den Kiosk. Steht so im Vertrag.
Während sie abwechselnd aus der Smirnoff-Vanilla-Flasche trinken, erklären sie ihm, dass Altair das Grundstück Mitte letzten Jahres gepachtet hat, um während der Saison einen Laden aufzumachen. Den Kiosk hat er mit einem kleinen Bankdarlehen und dem Verkauf eines Motorrads finanziert und mit Hilfe von ein paar Freunden aufgebaut. Der Bau verzögerte sich und war erst nach Weihnachten fertig, als die Touristen schon da waren, und plötzlich stand er mitten in der
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