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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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»Warum wusstest du, dass Peterchen dort stirbt?«
    »Weil sie ihn dort finden würden«, meinte Gryps und schob sich rückwärts neben Rungholt, den Blick nicht vom Hof nehmend. »Agnes ist ihm nach, wollte ihn zurückholen. Ein Mann ist aufgekreuzt, ein schlanker Kerl. Ich habe auf Agnes und Peterchen im Hof gewartet. Der Mann geht in den Keller, und plötzlich rennt Agnes an mir vorbei, schreit und brüllt, ich soll abhauen.«
    »Und dann bist du losgerannt. Durch die Mauer und hast den Stiefel verloren.«
    »Und den Schädel. Ja.« Er wandte sich zu Rungholt um, der die Tür zur Diele aufhielt, und steckte seinen Hammer wieder ein.
    »Wo sind die Kinder?«
    »Am See. Ich zeige es Euch. Ihr habt doch den Schädel?«
    »Er führt also tatsächlich zu den Kindern.«
    Gryps nickte. Seine Züge waren wieder hart und ernst. »Wie konnten wir sie nur entführen … Kinder, Rungholt. Und sie werden sterben. Spätestens, wenn sie den Schädel und den Schlüssel haben.«
    »Schlüssel?«
    »Zum Schädel. Damit man ihn genau lesen kann. Ja. Schädel, Kugel, Schlüssel. Agnes wollte ihn nicht hergeben. Sie wollte nicht, dass sie den Hort finden. Agnes ist der Schlüssel. Sie …«
    Der Bolzen durchschlug Gryps. Er riss ein Loch in seinen Rücken, durchschlug Rückgrat und Herz und zischte aus seiner Brust. Ehe Rungholt begriff, was geschehen war, hatte das Geschoss eine seiner Gotlandfliesen zertrümmert, war abgeprallt und in einem der Gewürzfässer auf dem zerstörten Wagen stecken geblieben. Pfeffer rieselte auf den Boden, während Gryps, längst tot, noch dastand. Einen Atemzug lang sah er zu Rungholt, wollte sogar etwas sagen, doch statt Worten schwappte Blut aus seinem Mund. Dann klappte er auf die Knie und der Länge nach durch die Dielentür.
    Rungholt sprang zurück ins Haus. Eine Armbrust, begriff er endlich. Das Klacken war das Spannen einer Armbrust gewesen.
    Er sah dem toten Riesen ins blutverschmierte Gesicht und duckte sich. Wo hatte er das Schwert gelassen? Was, wenn der Schütze ins Haus eindrang? Ein zweiter Schuss zerschnitt den Nebel, traf Gryps an der Schulter und blieb stecken. Er hatte nicht Rungholt gegolten. Der Schütze wollte nur sichergehen, dass sein Opfer auf keinen Fall überlebte.
    Rungholt presste sich an die Backsteine, die Gnippe derart fest umklammert, dass es schmerzte. Er atmete, so ruhig er konnte, und sah sich nach dem zerstörten Wagen um. Wenn er sich am Rand hielt, könnte er hinter den Wagen flüchten und in seinem Schatten zur Haustür gelangen. Und dann auf die Engelsgrube.
    Aber wer sagte ihm, dass nicht genau dort ein zweiter Schütze …?
    »Komm her!«, rief er in den Nebel. »Zeig dich! Komm her und kämpfe!« Mit einem abrupten Ruck ließ er den einen Flügel der Tür zufallen, packte Gryps am Lederarmband und zog ihn, so schnell er konnte, ins Haus.
    Im Schutze seiner vier Wände saß er da, den Kopf des Schmiede-Gryps auf seinen Oberschenkeln, den Blick auf die Hoftür gerichtet und das lächerlich kleine Messer zum Kampf erhoben.
    Es sollte niemand kommen.

43
    »Was … Was ist denn los? … Wer ist denn das?« Ein kalkbleicher Schreiber, ein Kind noch, lugte aus seinem Verschlag. Rungholt konnte sehen, wie ihm das Blut wegsackte.
    Rungholts finsterer Blick ließ ihn und ein Dutzend weitere Schreiber zurück in ihre Stuben weichen, selbst die Wachen gaben tuschelnd den Weg frei. Rungholt … Rungholt … Rungholt … raunte es durch die Gänge des Labyrinths im Pergamentmachergang.
    Rungholt packte Gryps fester an seiner Gugel und zog den Berg von Mann ächzend hinter sich her durch die Flure. Entsetzte Boten, versteinerte Büttel, Türen klappten alle paar Schritte zu, wurden verbarrikadiert. Rungholt roch die Angst, die er verbreitete. Unbeirrt setzte er seinen Marsch fort.
    Sie hielten ihn für einen zornigen Schuldner.
    Und sie hatten Recht. Er war ein zorniger Schuldner.
    »D’ Alighieri!«, rief er. »Ich habe ihn. Ich habe ihn Euch mitgebracht. Macht die Tür auf.« Dieses Mal brauchte er nicht zu klopfen, die beiden Wachen hatten ihm auf Geheiß von de Kraih bereits die Engelstür aufgesperrt. Sich verneigend wichen sie zurück, als er seinen Fang am Schemel vorbei durch die getrockneten Blutflecken schleifte, die sein Wutanfall gestern Morgen auf dem edlen Holzboden hinterlassen hatte. Rungholts Blick suchte den Saal ab, schweifte zum Kistenthron, der verlassen im Dunkeln ruhte, hin zu de Kraih, der sich ein Schwert kampfbereit auf den Arm legte, und über

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