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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Ist da wer?«
    Nervös tastete Rungholt nach seiner Gnippe, zückte das Messer und ließ es mit einer gekonnten Handbewegung aufklappen. »Zeigt Euch.«
    Unwillkürlich musste er an den Kampf mit der Töverschen denken, an das Giftöl im Grapen, das ihn zu Boden gezwungen hatte, und an ihr Stechapfelpulver.
    Der Regen war derart fein, dass er durch jede Naht drang. Rungholt sah sich nach seinem Haus um, aber der Wrasen hatte es bereits vollständig geschluckt. Von irgendwo hörte er das Klirren eines Windspiels, das Bellen eines Hundes. Und natürlich das stete Tropfen und Plätschern. Immerzu, Atemzug um Atemzug, Hore um Hore.
    »Ich bin bewaffnet. Kommt raus!«
    Keine Antwort. Dafür löste sich ein Schatten aus der Dornenhecke. Der Schemen wurde dunkler und dunkler, während er ruhig auf Rungholt zukam.

42
    Aus dem Nebel formte sich eine Gestalt. Der Mann hatte seine Gugel tief ins Gesicht gezogen, sodass Rungholt bloß Schwärze sehen konnte. Der Schatten wuchs und wuchs, überragte Rungholt um zwei Köpfe. Der Riese hielt einen Hammer in der Rechten.
    Aus der schwarzen Pfütze seiner Gugel starrten Rungholt blaue Augen an. Rungholt schnürte es den Hals zu. Sein Herz pochte ihm in den Ohren. Alle Wunden – Hand, Rücken, Kopf – wurden warm, und er spürte sie unangenehm unter der Husse. Er starrte den Mann an, unfähig, sich zu bewegen.
    Langsam trat Gryps in den Fackelschein. Sein Antlitz glich Borke. Narben waren in den Jahren zu tiefen Furchen geworden und hatten sich mit Fältchen und Falten vereint. Der ewige Funkenflug hatte ihm mehr als einmal Wange und Stirn verbrannt.
    Zwei Klafter entfernt blieb Gryps stehen und sah auf Rungholt hinab. Wirkte sein Antlitz wie Borke, so war seine Mimik ein Baum – war ohne jede Regung.
    Lediglich seine Rechte zuckte, ließ den schweren Hammer kaum merklich beben. Wasser floss seinen lederumwickelten Arm herab und leckte am Eisen der Waffe, bevor es in Rungholts Hinterhof troff.
    Plötzlich hob Gryps den Hammer, Rungholts Säfte schossen ihm in den Kopf. Er hatte das Gefühl, die Zeit werde zu Alheyds zähem Brei, er stecke mit dem Kopf in den Erbsen und könne sich nicht schnell genug bewegen. Der Schmied hob den Hammer, trat vor und …
    Jetzt.
    … fasste sich an die Gugel …
    Jetzt.
    … und zog sie nach hinten.
    Jetzt stürzte Rungholt los. Blitzschnell ließ er das Messerchen vorschnellen. Nicht ausholen, schneller sein. Kurz zustechen, eine feste Gerade in den Hals. Ein kräftiger Stich. Luftröhre.
    Sein Bauch traf Gryps, seine Stichhand schoss durch den Niesel – der Gestank von Urin und Straße. Seine Gnippe zuckte vor.
    Gryps’ Pranke umklammerte sein Handgelenk. Der Mann riss seinen Arm samt Hammer herum, stieß Rungholt den Ellbogen vor die Brust und verpasste ihm einen dumpfen Schlag mit der Linken. Trotz seiner Fülle wurde Rungholt von den Beinen gerissen. Eine unbändige Kraft riss ihn nach hinten, und er stürzte rittlings vor dem Wagen ins Wasser. Keuchend lag er da. Die Rückenwunde ließ Tränen in seine Augen schießen. Der Regen fiel auf ihn herab, unendlich lange Fäden aus dem Nebel, und dann zerschnitt der Riese das Tropfen, indem er sich über Rungholt beugte, den Hammer hoch erhoben.
    Zum Schlag bereit.
    Verzweifelt versuchte Rungholt, sich rückwärtszuschieben, spürte den Matsch und die Holzbohlen des Hofs unter sich. Sein Kopf stieß gegen das Rad des Wagens. Er umklammerte seine Gnippe, suchte im Regen nach den Fesseln des Mannes, der sich die Woche über keine Stiefel besorgt hatte, zumindest lief er barfuß herum. Ein Schnitt, und er würde nicht mehr stehen können. Komm näher, dachte Rungholt und zog seinen Oberkörper hoch. Komm näher, damit du gut ausholen und meinen Kopf auch wirklich zertrümmern kannst …
    »Was willst du?«, schrie er dem Schatten entgegen, der ihn wie ein seltenes Tier begutachtete und nur langsam näher kam.
    Die blauen Augen glommen im Licht der Fackel, die Rungholt aus der Hand gefallen war und ein Stück weiter im Wasser lag. Gryps’ Lippen formten Worte, aber Rungholt verstand nicht, was er sagte. Es hörte sich durch das Regenprasseln an wie »keine Angst«.
    »Ich habe keine Angst vor dem Sterben«, rief Rungholt. »Wo sind die Kinder? Wieso hast du sie ertränkt? Was hast du mit ihnen angestellt?«
    »Nichts … Ich will Euch nichts tun.«
    Stille senkte sich zwischen ihnen. Sie musterten einander. »Dann leg den Hammer weg.«
    »Erst das Messer.«
    Rungholt lächelte breit, dann schüttelte

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