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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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…«
    »Obwohl was?«
    »Obwohl Kerkring am Kinderfall dran ist.«
    Rungholt winkte ab. »Diese Bangbüx von einem Richter. Der hat mir gedroht, kannst du dir das vorstellen? Wahrscheinlich mach ich’s bloß deswegen. Nicht wegen der Kinder, sondern um ihm eins auszuwischen«, knurrte er und wusste, dass es nicht stimmte.
    »Ja sicher. Nicht wegen der Kinder«, entgegnete der Kapitän. Auch für ihn war klar, dass Rungholt sich wieder einmal die Wahrheit zurechtlegte.
    »Kerkring wird den Fall niemals lösen. Der nimmt irgendeinen fest. Irgendeinen von der Straße. Nur um Bürgermeister zu werden, dieser Muskopp …« Er war kaum fähig, die schweren Lider offen zu halten. Das Öl auf seinem Rücken, den Beinen und Schultern roch nach tiefem Nadelwald, nach Moor, und Rungholt meinte, den Geschmack von Schatten auf seiner Zunge zu spüren. Eigenartig.
    Rungholt hob den Kopf und sah noch einmal zu Marek, der von Swoneken das Essen entgegennahm. Es war Hering mit Ingwer-Mandel-Zwiebel-Soße. Rungholt musste schmunzeln. Was sonst, hatte Swoneken doch einen Vertrag mit dem Blauen Beil.
    Rungholt wurde das Mahl jetzt neben die Bank geschoben. »Lass es dir schmecken«, meinte Swoneken. »Auf dein Leben! … Reden wir später drüber, wie du die Rechnung abstotterst.«
    Rungholt lachte, weil Marek sich prompt verschluckt hatte und seinen Wein über den Hering und in den Zuber prustete. In der Holzwanne zog der Arnikasud bunt schimmernde Schlieren. Als Rungholt sah, dass Swoneken nicht nur Essen hingestellt, sondern weitere Kamillenblüten ins Bad gestreut hatte, wurde er schlagartig wach. Er stieß die Magd beiseite und kam taumelnd hoch.
    »Das ist es. Weiße Blüten«, rief er aus. »Komm! Vergiss den Hering!«
    »Was?«
    »Effengrube. Komm. Sofort.« Ehe es sich Marek versah, hatte Rungholt Marek gepackt.
    »Bist du von allen guten Geistern …?«
    Das Essbrett rutschte samt Fisch und Mus ins Wasser, Marek fluchte laut. Dutzende Augen richteten sich auf ihn.
    »Die Blüten!« Rungholt deutete aufs Wasser. »Deswegen waren sie in meinem Fach. In meiner Dornse … Komm! Komm endlich, du einäugiger Kapitän!« Alle starrten sie an, doch Rungholt ließ sich nicht aufhalten, lief bereits zwischen den Zubern hindurch. »Swoneken! Einritzen«, rief er und riss splitternackt die Tür zur Gasse auf. »Ich zahl’s morgen.«

17
    »Komm endlich.« Rungholt konnte es nicht erwarten, seine Eingebung zu überprüfen. Nach Atem ringend, stolperte er an der Stadtmauer entlang Richtung Effengrube. In der Aufregung hatte er Alheyds Trippen unter seine Schnabelschuhe geschnallt.
    »Jetzt warte doch.« Keuchend kam Marek neben Rungholt in einer Pfütze zum Stehen. Der Regen hatte ihm die krausen Haare an den Kopf geklatscht. Seine zerschundenen Beine staksten nackt unter dem Leinen heraus, steckten in abgetragenen, schweren Lederstiefeln.
    Beinlinge, Bruche, Unterkleid? Für so etwas war keine Zeit gewesen. Weil ihre Kleider bei Sinje lagen, hatte Rungholt seinen Freund kurzerhand in die Engelsgrube gezerrt. Unter Alheyds verwunderten Blicken hatte er die erstbeste Cotte über das Dielengeländer zu Marek hinabgeschmissen und sich selbst bloß eine alte Schecke um die Schultern geworfen.
    »Die paar Schürfwunden«, ätzte Rungholt. »Und du schnaufst wie ein klappriger Gaul.«
    »Rennt die Effengrube etwa weg? Was ist denn los? … Das kratzt vielleicht, sag ich dir aber. So etwas trägst du am Leib? Widerlich, würd’ ich meinen.«
    »Wenn du dich hübsch machen willst wie unsere Weiber, dann geh zurück und lass dir von Swoneken den Rücken schrubben. Ich jedenfalls muss das jetzt klären.«
    Vor ihnen lag der Holzmarkt. Die Straße an der Obertrave war immer belebt, doch heute herrschte trotz des Regens geradezu Aufruhr. Sechs Ratsherren, dicke Wintermützen gegen die Nässe ins Gesicht gezogen, alle hoch zu Ross, riefen ihren Trägern Befehle zu. Sie ärgerten sich, dass die zehn Mann die Kräne nicht schneller entluden. Drei schuppengroße Holzkräne, direkt auf die Stadtmauer gepflanzt, wurden von Bütteln in Laufrädern angetrieben. Die schiffpfundschweren Konstruktionen hoben Baumstämme vom Hafen direkt über die Mauer und auf bereitgestellte Pferdewagen. Dutzende Kaltblüter und Ochsen schnauften wartend im Regen.
    Als Rungholt näher kam, konnte er durch eines der Warentore einen Blick auf den Hafen werfen. Erschrocken blieb er stehen. Es war keine Kogge, keine Prahme zu sehen, alle Schiffe hatten losgemacht. Und der Platz

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