Flutgrab
lief über den blank gewischten Holzboden, verteilte sich zwischen Eimern voller wohlriechender Blüten und den Extrakten, die Swonekens nur auf Wunsch ins Wasser gab und sich reichlich bezahlen ließ. Die Wasserversorgung, die unter Lübeck verlief, war noch nicht bis in alle Gassen und Hinterhöfe vorgedrungen und wurde außerdem hauptsächlich von den Brauereien und Gerbern aufgezehrt, sodass kaum etwas in den Kellern derer ankam, die bereits ans Wassernetz angeschlossen waren.
Erst seit wenigen Jahren förderte der Rat den Bau von Brunnen und ließ die Straßen aufgraben, um Holzrohre, die Ronnen, zu verlegen.
Würfel knallten auf Holz, Wein ergoss sich über wohlgeformte Frauenbrüste. Ausgelassen wuschen alle ihre Sorgen und Nöte weg, vergaßen für einen Moment Hunger und Regen. Ratsmänner und Handwerker teilten sich das Wasser und die Hübschlerinnen.
Während in einem Zuber Essen gereicht wurde, bedienten zwei schlanke Dirnen in einem abgetrennten Bereich einen Badbesucher. Sein Stöhnen drang durch den Samtvorhang und vermischte sich mit der Musik zweier Spielleute, die, auf ausgedienten Holzeimern sitzend, lange Hälse machten und das ausgelassene Treiben mit zotigen Liedern begleiteten.
Rungholt konnte eine Hure aus der Clemensgasse sehen, die ihre Reize feilbot und für ein paar Pfennige mit in den Zuber stieg. Eigentlich war es untersagt, aber der Rat drückte bei alldem ein Auge zu. Giggeln und Lachen erfüllte die Stube. Warmer Dampf vermischte sich mit den Laugen, die Swoneken für die Gäste angesetzt hatte, und hüllte Rungholt in kräutrigen Duft.
»Oooooh …«, stöhnte er, als er sich noch tiefer ins heiße Wasser ließ. »Oooooh, tut das weh … Ooooh … Oh, tut das gut.« Das klare Wasser umschmeichelte seine ausgebrannte Wunde. Rungholt lehnte sich zurück, fuhr aber zusammen, als seine Wunde gegen das Holz stieß.
Auch Marek konnte nicht entspannt sitzen wegen all der blauen Flecken, Striemen und Schnitte. Er rutschte auf seinem Allerwertesten zu Laute und Leier, als hätte er Flöhe im Hintern.
»Du hast es gut«, meinte Rungholt. »Du hast dich von Sinje ordentlich einreiben lassen.«
Marek grinste. »Was meinst du, warum ich erst zu ihr gegangen bin, anstatt mir in deiner Diele Vorhaltungen machen zu lassen. Sinje weiß mit ihren Händen umzugehen, das sag ich dir aber.«
Rungholt lächelte. Das konnte er sich lebhaft vorstellen. Das letzte Mal, dass er Alheyd geliebt hatte, war irgendwann im Winter gewesen. Kurz vor Weihnachten. Genau konnte er es nicht sagen.
Aus Mareks Blessuren las Rungholt wie aus einem Buch. Der Knauf eines Schwertes hatte ihn zwei Mal unterhalb der rechten Schulter getroffen und nur zufällig keine Rippe gebrochen. Schlagwunden an Kinn und Hals, das blaue Auge war zugeschwollen. Die Flucht durch das Dickicht hatte eine Landkarte auf dem muskulösen Körper des Kapitäns hinterlassen. Rote Flüsse, Pfade, Wege – Zickzack, kreuz und quer hineingeratscht von Ästen und Dornen.
»Gibt’s hier keine Kissen?«, polterte Rungholt. »Swoneken! Bring Bier, was Ordentliches zu beißen und was für unsere Hintern. Und sau dein Wasser richtig mit Kamille und Arnika ein. Ich zahl’s auch. Die Tunke soll uns stärken.«
Er lehnte sich vor, um Marek kräftig die Wange zu tätscheln, brach aber ab, weil er Angst hatte, seine geschundenen Knochen würden bersten wie eine Kogge unter dem Feuer einer Trebuchet.
Sie hatten ihre Kleider gleich bei Sinje gelassen und waren, bloß mit einem Tuch über den Schultern und ihren Stiefeln an den Füßen, durch den Regen geeilt. Sinje hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie Marek eigentlich den ganzen Tag für sich hätte haben wollen, aber die beiden Freunde hatten ihre Einwände beiseitegewischt.
Noch auf dem Weg von Sinje in die Badestube hatte Marek versucht zu erklären, was geschehen war.
Viel konnte er nicht sagen. Eine Horde Bauern hatte ihnen aufgelauert. Mit Forken, Äxten und Knüppeln bewaffnet. Obwohl sie nicht gut kämpfen konnten, waren sie in der Überzahl gewesen und vom Hunger in solche Raserei versetzt, dass selbst Mareks beste Männer nichts gegen sie hatten ausrichten können. Sie fielen über alles und jeden her, zerrten die Männer in den Wald, luden die Waren auf ihre Karren und steckten alles in Brand. Nachdem neun von Mareks Gefolgsleuten gefallen waren, blieb ihm mit seinen restlichen Männern nur die Flucht.
Schwitzend und außer Puste trat der dicke Bader Swoneken Clot zu ihnen und
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