Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
Vom Netzwerk:
fuhr Rungholt seinen Freund an. »Verdammt! MAREK ! Diese Bauerntrampel haben dir’s Hirn weggefressen! Nimm sofort deine Finger … HÖRST DU !«
    »Also so schlimm, sag ich dir, ist es doch gar nicht hier oben. Warte mal, bis das Gewitter da ist.«
    Rungholt konnte nichts erwidern. Er hatte genug damit zu tun, sein Würgen und das Schlottern in den Beinen niederzukämpfen. Es dauerte einige Atemzüge, bis seine Säfte wieder flossen und er sich endlich von dort oben umschauen konnte. Ein paar Mal atmete er konzentriert ein und aus und sah dann gründlich hinab.
    »Ich hab’s geahnt«, entfuhr es ihm.
    »Was denn?«
    Rungholt zeigte hinunter. »Die Höfe. Schau. Unter uns der Grützmachergang. Da drüben die Mauer und der Karren. Und da …« Er zeigte an einer anderen, sehr viel niedrigeren Mauer vorbei.
    »Der Bauhof?«
    »Ja. Und näher zu uns?«
    »Die alte Kannengießerei von Trechtel?«
    »Richtig. Und was steht davor?«
    »Ein Busch.«
    »Ein Holunderbusch. Und davor das Haus mit dem Keller. Mornewechs Keller. Die Kannengießerei und der Keller liegen direkt nebeneinander. Sie sind nur durch ein lächerliches Gatter getrennt. Dort drüben.«
    »Na und?«
    »Den einen Gang betrittst du von der Effengrube und den anderen über den Bauhof. Von der ganz anderen Seite.«
    »Was soll’s? Lübeck ist schlimmer zugebaut als der Lagerraum eines schlampigen Kapitäns.«
    »Ja. Aber das Merkwürdige ist, dass du von diesem Gang hier, vom Grützmachergang, bloß durch das Gatter gehen musst, und du bist am Haus von Mornewech.«
    »Was ist daran merkwürdig? Wenn du mir alles erzählt hast, ist dein Dieb da durch die Mauer und hat am Karren seine Sachen verloren. Er ist hier unter uns am Gerüst vorbei in die Effengrube gelaufen. So hat’s doch dieser Büttel gesagt.«
    Rungholt legte die Stirn in Falten. »So hat es dieser Büttel gesagt, ja.«
    »Aber du meinst …«
    »Er ist aus Mornewechs Keller gekommen. Am Holunderbusch vorbei. Seine Stiefel sind voller Blüten. Er läuft zum Gatter und rüber zum Grützmachergang. Er will durch die Mauer, zieht den Karren beiseite und verliert den Schädel.«
    »Was für einen Schädel? Was soll ein Dieb mit vier Toten in einem Keller zu tun haben? Und was ist mit dem Kurier? Mit d’ Alighieris Edelsteinen? Ich dachte, er ist von d’ Alighieri hierher gerannt.«
    »Das weiß ich noch nicht. Aber ich habe ein ungutes Gefühl.« Ohne auf das Wasser zu achten, das von seiner Nasenspitze tropfte, starrte Rungholt auf den Holunderbusch bei Mornewechs Kellereingang. Blüten wie Schnee.

18
    Mit einem einzigen Tritt ließ Marek kurz darauf die Kellertür aus den Angeln fliegen. Rungholt entfachte vor dem Abgang eine Fackel, und gemeinsam betraten sie den Todeskeller.
    Die Leichen waren fort, aber ansonsten lag das Schlafgemach genauso da, wie er es verlassen hatte. Selbst die Blumenvase schwamm noch im Wasser. Unzählbar viele Fliegen hatten sich auf das Blutbett gesetzt und verwandelten es in einen blau-schwarzen Organismus. Weil das Blut zu verrotten begann, roch es hier strenger als gestern Morgen, aber die Kellerkälte verhinderte einen wirklich schauerlichen Gestank.
    Entsetzt hielt sich Marek dennoch die Hand vor den Mund. »Mein Gott. Hier drin sind die alle gestorben?«
    »Kannst froh sein, dass du gestern noch im Wald rumgeirrt bist.«
    So wie das Meer am Strand eine feine Linie mit Muscheln und Tang zeichnet, hatte das Blut eine braune Markierung im Kalk der Wände hinterlassen, eine gezackte Spur, auf der die Fliegen zu hunderten saßen.
    »Das ist so viel Blut …«
    »Zwölf Kannen. Bisschen weniger wahrscheinlich. Im Wasser hat es sich nur nett verteilt.« Rungholt versuchte, sich keine Blöße zu geben, aber der Raum widerte auch ihn an. Die beiden standen barfuß in der Brühe, und Rungholt, dem die Begegnung mit den Leichen noch sehr präsent war, fürchtete, auf ein Stück Fleisch oder Innerei zu treten. Sich wundernd, warum der Vermieter die Betten nicht im Hinterhof verbrannt hatte, machte Rungholt ein paar vorsichtige Schritte. Hatte Kerkring es ihm etwa verboten, weil er fürchtete, Spuren zu verlieren?
    »Gut, dass wir nichts zu fressen haben. Kann ich nicht so viel kotzen, wie ich eigentlich will. Das ist widerlich, das sag ich dir aber, Rungholt.« Marek hatte seine kratzige, durchnässte Cotte hochgeschlagen, hielt sie zusammen mit seinen Stiefeln vor der Brust und suchte einen trockenen Ort.
    »Keine Sorge«, meinte Rungholt. »Das sind nur ein paar

Weitere Kostenlose Bücher