Flutgrab
kein Dieb, sondern ein Entführer, Mörder und Paktierer ?«
»Dass Ihr mehr wusstet, als Ihr mir gesagt habt, d’ Alighieri. Ihr habt mich ins offene Messer laufen lassen.«
»Scheiße noch eins, Rungholt.« Der Florenzer lachte. »Ihr habt den Auftrag angenommen. Wenn der Dieb ein noch schlechterer Mensch ist als gedacht, was geht es mich an?«
»Das war nicht unsere Absprache.«
»Oh.«
»Oh«, wiederholte Rungholt. »Und ein großes Oh ist auch, dass Ihr mich angelogen habt.«
»Ich?«
»Der Edelsteinraub. Er hat niemals stattgefunden, oder? Ihr wolltet den Schädel, richtig? Und deswegen habt Ihr jemanden hinter mir hergeschickt.«
»Richtig, falsch, richtig. In der Reihenfolge.«
»Ihr gebt also zu …«
»Ich gebe zu, dass ich Euch jemanden nachgeschickt habe. Ja. Einen Söldner. Er sollte sehen, wie weit Ihr mit Euren Nachforschungen seid. De Kraih?« D’ Alighieri wandte seinen Kopf zur Krähe, die unweit an einem Schreibpult stand und versunken ein Pergament ins Reine schrieb.
»Was ist mit Lohmann?«, wollte d’ Alighieri wissen. Seine kehlige Stimme wurde von den dicken, mit Schnitzereien versehenen Deckenbalken gebrochen. Die Decke war so von Ruß verfettet wie sein Hirschtalg.
»Ist seit gestern nicht aufgekreuzt. Er hat am Abend nicht Bericht erstattet.«
D’ Alighieri streckte sein nacktes Bein unter der Houppelande heraus und betrachtete den Schnabel seines Schuhs. Sechs Schröpfgläser klebten auf seinem Oberschenkel. Er wippte den Fuß stumm einige Male hin und her, den Blick nachdenklich erst auf die Schnabelspitze, dann auf die Schröpfgläser gerichtet. Schließlich blickte er zu Rungholt. »Habt Ihr den Mann etwa …« Er fuhr sich mit der Hand waagerecht vor dem Hals entlang.
»Denkt, was Ihr wollt. Ihr habt mich belogen, d’ Alighieri.«
Der Florenzer stand auf. »Belogen? Wählt Eure Worte, Rungholt.«
»Mein Wort zählt jedenfalls noch etwas«, knurrte Rungholt, woraufhin d’ Alighieri den gichtigen Zeigefinger hob und ein »Na-na-na« andeutete.
Wie er wohl blutet, wenn ich ihm Wiesbergs Messer in den Hals ramme? Rungholt regte sich nicht, blickte d’ Alighieri lediglich stumm in die Augen. »Es gibt keine Edelsteine, also keinen Diebstahl, also keinen Handschlag. Unser Geschäft ist geplatzt.« Ohne ein weiteres Wort drehte sich Rungholt einfach um und schritt an Wiesberg, der ihm eilig Platz machte, und d’ Alighieris fünf Schreibern vorbei Richtung Tür.
Hinter ihm tauschten der Florenzer und de Kraih Blicke.
»Wartet«, rief de Kraih. »So wartet doch. Rungholt. Bitte.«
Rungholt wandte sich nicht um, sondern winkte im Gehen ab. »Ich zahl meine Schulden, d’ Alighieri. Irgendwie bezahl ich sie. Und nun führt mich raus aus diesem Siechenhaus.«
»Seid doch kein Spielverderber, Rungholt«, rief d’ Alighieri und lachte. »Porca vacca, ich sag’s Euch. Ich sag es Euch ja.« Er wollte von seinem Thron herabsteigen und forderte schroff die Hand eines seiner Schreiber. Wiesberg sprang vor und wollte die Schröpfgläser retten, aber d’ Alighieri stieß den Medicus von sich. »Wiesberg, seht zu, dass ich, verkackt noch eins, meinen Brennschlüssel erhalte, und lasst die verfluchten Gläser schröpfen.«
Rungholt griff nach dem Türöffner und zog, aber die Tür war verschlossen. Grimmig musterte er sein Spiegelbild in dem dunklen Holz. Bevor er herumfuhr, hörte er, wie eines der Gläser von d’ Alighieris Schenkel rutschte und auf dem Boden zerschellte.
Ungerührt schritt d’ Alighieri durch die Scherben. Er glitt förmlich durch den Raum, ging derart geschmeidig und ohne zu federn über seine mit Reisig ausgelegten Dielen und die Splitter, dass es Rungholt vorkam, als schwebte der Mann.
Wie die Henne ihre Küken mitführt, zog d’ Alighieri Wiesberg und den Tross an Schreibern hinter sich her und kam auf Rungholt zu.
»Öffnet die Tür.« In Rungholts Stimme schwang etwas Dunkles mit, das offenbar auch d’ Alighieri nicht entging. Rungholt fühlte nach seiner Gnippe, sah in die Gesichter der Männer. Sie stellten keine Gefahr dar, auch wenn es den Anschein hatte, als würden sie ihn umzingeln wollen.
»Lasst das Messerchen in der Tasche, Rungholt. Ihr könnt ja jederzeit gehen. Aber vielleicht möchtet Ihr doch noch ein wenig bleiben. Scheiße, ich habe Auerhahn mit Pfefferminze und guten Rotspon kommen lassen.«
»Aus Stralsund? Wart Ihr überhaupt dort?« Mit einem bösen Lächeln drehte sich Rungholt wieder zur Tür und den Männern
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