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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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absichtlich den Rücken zu. Es sollte ihnen klarmachen, dass er sich nicht bedroht fühlte. »Öffnet. Ich trinke nur Bier.«
    D’ Alighieri antwortete nicht, sondern bedeutete de Kraih, der sich die ganze Zeit vornehm zurückgehalten hatte und nun das Pergament mit Löschsand abstreute, etwas zu sagen.
    »Ihr habt Recht, Rungholt.« Die Krähe räusperte sich. »Es geht nicht um Edelsteine. Es war … Nun, Ihr nennt es eine Lüge, ich hingegen würde es eher als ein nötiges Übel bezeichnen. Ein Winkelzug, wenn Ihr so wollt. Geboren aus reiner Verzweiflung.«
    Rungholt starrte weiter auf die Tür. Seine Rechte knetete den Scharpieverband über dem Schnitt der Töverschen. Das Brennen der Wunde, das Aneinanderreiben des Fleisches beruhigte.
    »Es gab in der Tat keinen Diebstahl, Rungholt. Das war der Wurm, den wir auswerfen mussten.«
    »Wurm«, knurrte Rungholt, ohne sich umzudrehen.
    »Ich weiß, wir haben Euch mit einer so leicht zu durchschauenden Lüge geradezu beleidigt.« Die Schreiber bildeten eine Gasse für de Kraih, der sich neben d’ Alighieri stellte. »Ich weiß, was Ihr jetzt denkt.«
    Ich denke, ich sollte dir deinen Wurm in deinen Krähenschnabel stecken, dich auf deinen Regenschirm spannen und dich zur Töverschen ins Feuer werfen, de Kraih. Und dann sollte ich deinem Freund und Meister einen zweiten Mund schnitzen, damit er endlich mal die Wahrheit sagt.
    »Öffnet die Tür«, rief d’ Alighieri jetzt. »Öffnet.«
    »Aber d’ Alighieri«, de Kraih war verwirrt. »Ich … Lasst uns ihm doch sagen, warum wir … Wir sollten es ihm doch sagen, oder? Ich bitte Euch, d’ Alighieri!«
    Vor Rungholt zogen die beiden Wachen die mit Blut besudelte Tür auf. Sie hatten statt der Hellebarden Lappen in der Hand, aber aus den Ornamenten noch nicht alles herauswischen können.
    »Er soll gehen«, meinte d’ Alighieri schroff. »Er hat Recht. Rungholt hat Recht. Der Handel ist geplatzt. Er kann gehen … Wiesberg! Holt den Brennschlüssel, machen wir weiter.«
    »Aber …«, protestierte die Krähe.
    »De Kraih!«, zischte d’ Alighieri drohend.
    »Sehr wohl.« Aus dem Augenwinkel konnte Rungholt sehen, wie der hagere Mann sich tief verbeugte. Ein ungemütliches Gefühl von Kälte kroch Rungholt in die Knochen. Zwei der Öllampen hatten beinahe gleichzeitig zu brennen aufgehört, und der Qualm der schwelenden Dochte verteilte sich.
    Rungholt schüttelte den Kopf, als müsse er einen dunklen Gedanken loswerden, dann passierte er die Flügeltür und schritt am Schemel vorbei. Er war kaum einen Klafter aus dem Saal getreten, als de Kraih ihm nachrief: »Es geht um d’ Alighieris Kinder! Seine Kinder, Rungholt!«
    »Halt dein verkacktes Maul«, überschlug sich d’ Alighieris Stimme. »Maul halten!«
    »Rungholt! Er zieht ihnen die Haut vom Schädel, mein Gott. Rungholt! Ich hab doch Recht? Der Hammermann! Dieser Schmied!«
    Rungholt blieb stehen.
    »De Kraih!«, keifte d’Alighieri. »Wollt Ihr die Peitsche spüren!«
    »Er hat seine Kinder verloren. Sie sind erst sieben.«
    »Merda! Stopft ihm das MAUL ! Wiesberg!«
    Rungholt schloss die Augen. Er atmete zweimal durch, dann wandte er sich zum Saal um.
    Obwohl d’ Alighieri alle bis auf Wiesberg und de Kraih hinausgeschickt hatte, zierte er sich noch immer, offen zu sprechen. Der Florenzer horchte, ob die beiden Wachen auf der anderen Seite der Tür mit Putzen fertig waren, und warf dann de Kraih einen vernichtenden Blick zu. »In welche Lage Ihr mich bringt, de Kraih«, zischte er.
    Kopfschüttelnd ging er den halben Weg zurück zu seinen Kisten. »Geht. Holt den Vogel rein. Jetzt können wir ihn doch essen.«
    De Kraih verbeugte sich unterwürfig, nickte Rungholt stumm zu und wischte an ihm vorbei zu einer schmalen Geheimtür, die Rungholt bisher nicht aufgefallen war.
    D’ Alighieri holte ein paar Mal rasselnd Luft, dann streckte er sich und raffte seine Houppelande zusammen. Während er den kostbaren Stoff hochraffte, begann er zögerlich: »Es ist für mich, Scheiße noch eins, nicht einfach in diesem verregneten Kaff am Arsch der Welt, Rungholt. Verfluchtes Lübeck.«
    Rungholt löste sich von der Tür und trat zu d’ Alighieri. Er konnte sehen, wie der Florenzer zornig die Lippen zusammenpresste. Mit einem Mal begann der bleiche Mann, seine Schenkel zu reiben. »Ich sitze hier seit dreißig Jahren fest und hätte sicher längst gehen sollen. Scheiße. Sie grüßen mich nicht, sie wechseln die Straßenseite, aber sie leihen sich mein

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