Flutgrab
donnerte er. »Im Gegenteil. Ich …«
»Du hast dich wieder in irgendeinen Fall verrannt und dich in einem Gespinst aus Gefälligkeiten und Abmachungen verheddert. Richtig?«
Er schwieg.
»Also hab ich Recht.«
»Wir sind nicht pleite.« Er nahm sie bei der Schulter und blickte sie an. »Ich hab mich nicht verheddert. Ich bin grade dabei, alles zu entwirren. Alheyd, bitte.«
In ihren Augen konnte er lesen, dass sie ihm nur zu gern geglaubt hätte. Doch ihr Blick schweifte zur Wäscheleine. Sie schüttelte seufzend den Kopf. »Ich bin im Bett«, sagte sie und wandte sich ab.
»Wirklich«, rief er hinter ihr her. »Ich war schon auf dem Weg! Ich bringe alles in Ordnung! … Ich … ich brauche nur was zum Anziehen«, setzte er kleinlaut nach. »Verdammt noch mal.«
31
Sieben Fliegen trippelten über die Haut, die sich auf d’ Alighieris Blut gebildet hatte. Erbost sah Rungholt ihnen zu. Das tat er nun schon seit der Laudes. Noch vor der Morgenmesse war er durch Lübeck geeilt. In der Nacht war Nebel aus den Pfützen gekrochen. Kaum zu unterscheiden war er vom feinen Nieselregen. Die Luft ein einziges Erbsenmus. Und nun hockte Rungholt auf einem unbequemen Schemel vor der Tür zu d’ Alighieris Thronsaal und wartete auf Audienz.
Rungholt kratzte sich. Die Garnache, die er übergestreift hatte, war Jahre alt und ganz steif. Die anderen Kleider waren auch nicht besser. Es widerte ihn an, wie ein Bittsteller behandelt zu werden, und mit jeder Stunde wuchs sein Zorn. Der Geruch von Gebratenem wehte herbei. Irgendwo schmorte ein Huhn in der Pfanne. Oder bildete er sich das nach all dem Mus bloß ein? Rungholts Magen knurrte.
Er lauschte dem Stöhnen und Fluchen, das durch die mit Engeln geschmückte Tür drang, und stand murrend auf. Ein paar Mal ließ er unter den trägen Blicken zweier Leibwächter seinen Lederstiefel gegen das Holz knallen und rief: »Florenzer! Hört auf, Euren Leibarzt zu begatten, und macht die Scheißtür auf.«
Selbst die Wachen mussten schmunzeln.
Er hatte es kaum ausgesprochen, als sich die Tür tatsächlich öffnete. Doch statt d’ Alighieri kam Wiesberg heraus, stellte mit einem verlegenen Lächeln eine weitere Schüssel voll Blut ab und holte aus seiner zerschundenen Truhe, die neben Rungholts Schemel stand, fünf Schröpfgläser, ein gebogenes Messer und feine Schläuche.
»Die aus Darm eignen sich besonders«, fühlte er sich unsinnigerweise genötigt zu erklären und lud sich die Arme voll. Rungholt schenkte dem Quacksalber lediglich ein böses Lächeln, war es doch nicht das erste Mal, dass Wiesberg sich aus dem Saal gedrückt hatte, um Instrumente zu holen. Mittlerweile war er kurz davor, Wiesberg die Blutschüsseln ins Gesicht zu kippen und dem Kerl seine Schläuche um den Hals zu binden.
»Wiesberg«, zischte er. »Sagt Eurem blutleeren Liebhaber, ich werde die Tür einschlagen, wenn er mich nicht bald anhört!«
Jetzt war es an Wiesberg zu lächeln, offensichtlich gefiel es ihm zu sehen, in welcher Lage sich Rungholt befand. »Selbstverständlich«, meinte er sanft und verbeugte sich. »Wie geht es Eurem Rücken?«
»Gut, solange Ihr ihn nicht in die Finger bekommt.«
Ein Zucken um Wiesbergs rechten Mundwinkel war die einzige Antwort, dann war d’ Alighieris Leibarzt wieder verschwunden.
Rungholt setzte sich. Er wartete. Er sah den Fliegen zu. Sieben, acht, jetzt neun, nein, zehn Fliegen. Hmmm. Oh, eine fliegt weg. Neun Fliegen. Aha und jetzt …
Rungholt sprang auf und trat mehrmals so kräftig gegen die Tür, dass die Engel erzitterten. Die beiden Leibwachen waren zu faul, um ihn zu mäßigen.
»D’ Alighieri! Die Fliegen fressen hier Euer Scheißblut. Öffnet endlich.« Bevor die Wachen reagieren konnten, griff er sich eine der Schüsseln und schleuderte sie gegen die Tür. Das Blut spritzte bis zur Decke und rann dickflüssig an den Engeln entlang auf den Boden. Sofort packten die beiden Männer Rungholt, aber der lachte bloß. »Was treibt Ihr da drinnen?«, rief er, während die beiden ihn auf den Schemel drückten. »Näht Wiesberg Euch einen frischen Leib zusammen? Habt Ihr den alten in Stralsund verloren?«
Egal wie mächtig du blau-blasser Wittenfresser bist, zürnte Rungholt und begann zu belfern: »Du hast mir was verschwiegen! Du verdammter Florenzer! Unser Handschlag ist nichtig, d’ Alighieri! Nichtig!«
D’ Alighieris kalt-blaues linkes Auge zuckte. Der Geldkönig musterte Rungholt von seinem Kistenthron aus. »Was meint Ihr mit: Der Dieb sei
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