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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Chor wandte, sah er ihn. Der Pfarrer eilte zu den Ratsherren und sprach mit Kerkring, während er seine Kasel richtete. Kurz darauf stieg er auf den Lettner und bat um Ruhe.
    Nur langsam verstummten die Stimmen, ein Zischen und Tuscheln ging durch die Menge, bis alle ihn bemerkt hatten.
    »Liebe Leute. Liebe Lübecker, liebe Freunde. Gelobet sei der Herr Jesus Christus.«
    Alle bekreuzigten sich. Marek stieß Rungholt an, der es daraufhin auch tat.
    »Soeben sprach ich mit dem Rat. Bevor die Morgenmesse beginnt, wurde ich gebeten, ein paar Worte an euch zu richten.«
    »Er spricht nicht selbst?«, flüsterte Marek Rungholt zu.
    »Wer? Dartzow? Er sollte eine Bursprake halten. Ja. Eigentlich sollte er dort raufgehen und zu seinen Bürgern reden.« Rungholt legte die Stirn in Falten.
    »Unser aller hochgeschätzter Rychtevoghede«, fuhr Jakobus fort, »Herman Kerkring, seines Zeichens angesehener Kaufmann und Richter dieser Stadt, wird morgen nicht nur das Urteil über den Kaufmann Radkewitz verkünden, sondern lässt durch meine Worte ausrichten: Der Entführer der Kinder wird in den nächsten Tagen gestellt. Die Kinder werden befreit, und der Frevler wird für immer im Fegefeuer schmoren.« Jakobus bekreuzigte sich unter dem zustimmenden Johlen der Menge. »Unser hochgeschätzter Rychtevoghede Herman Kerkring ist höchstselbst kurz davor, diesen Teufel auf den Köpfelberg zu bringen. Sodass es ihm nicht mehr möglich ist, unsere Kinder zu rauben und unsere Seelen zu vergiften.«
    Weitere zufriedene Rufe hallten durch die Halle, aber auch erstes Gemaule, warum es so lange gedauert habe, den Teufel zu finden. Die Nachfragen wurden zahlreicher und lauter gestellt. Wie eine Welle türmten sich die Rufe auf und brandeten an den Lettner, besudelten mit ihrer Gischt die Ratsmänner, die immer noch verängstigt in ihrem Gestühl hockten. Als Rungholt sah, dass Kerkring aufsprang, energisch Dartzow beiseiteschob und sich an ihm vorbei aus der Bank drückte, um selbst das Wort zu ergreifen, klopfte er Marek auf die Schulter.
    »Die Morgenmesse ist beendet, Marek. Bleib noch hier, wenn du beten willst, aber meine Seele erträgt dieses Seemannsgarn nicht. Will er jetzt selbst eine Bursprake halten? Dartzow sollte seinen Hund besser an die Kette legen.« Rungholt wandte sich ab und bahnte sich einen Weg zum Ausgang.
    »Warte! Willst du nicht wissen, was er für Neuigkeiten kundtut?« Marek schloss zu Rungholt auf.
    »Nein«, knurrte Rungholt. »Es sind nämlich keine.«
    Kaum hatte er es gesagt, erfüllte Kerkrings Stimme die Kirche. »Haltet ein! Ich werde die Stadttore schwerer bewachen lassen. Soldaten haben bereits Befehl. In Absprache mit unseren hochedlen Bürgermeistern Methaler und Eric Dartzow werden wir jeden Hof und jedes Haus durchsuchen. Wir finden eure Kinder.«
    »Sag ich doch.« Rungholt schmunzelte und drückte die Tür von St. Marien auf. Regen schlug ihm entgegen. »Er macht sich wichtig, das ist alles. Spricht so jemand, der eine heiße Spur verfolgt?«
    Unwirsch zog Rungholt seine Gugel über den Kopf. Marek folgte ihm in den Regen. Gemeinsam gingen sie am Rathaus vorbei, dessen schwarze Front durch die Abermillionen Regentropfen wie eine verkohlte Fettschwarte glitzerte.

33
    » Die Häuser durchsuchen . Meint Kerkring etwa, alle Salunenmaker, Bernsteindreher und Fleischhauer öffnen ihm begeistert und helfen beim Umkrempeln ihrer Hütten?«, regte sich Rungholt auf und zog seinen Mantel, eine schwere Garnache, zurecht. »Kerkring findet doch nicht mal seinen eigenen Hintern, wenn er scheißen muss.«
    Marek musste lachen. Auch er hatte sich wetterfest angezogen, hatte sich über einen einfachen Tappert eine Husse aus schwerem Stoff gezogen und von Rungholt das Bastardschwert zurückbekommen. »Ich verstehe nicht, warum Dartzow ihn gewähren lässt. Die Kinder sind doch wahrscheinlich am Strand, sag ich dir.«
    »Dartzow hat gemeint, er habe niemand gefunden. Aber er hat auch bloß drei Reiter losgeschickt.«
    »Drei?«
    »Mehr wollte er von seinen Riddere nicht entbehren.«
    »Der hätte mit Karren die Büttel an die Travemündung fahren sollen. Die Lübecker wären doch alle …« Marek deutete ringsum auf die Häuser, »sicher bereit gewesen mitzusuchen.«
    Sie bogen in die Hüxstraße ab und wichen zwei Schubkarren mit Backsteinen aus, die im Schlamm steckengeblieben waren und von murrenden halbwüchsigen Bengeln entladen wurden. Drei Hunde bissen sich vor einem Handkarren mit einem Ofen, dessen

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