Flutgrab
gegeneinander.
Tatsächlich bestätigte sich, was Rungholt geahnt hatte: Es war kein Tonnenwagen, sondern eine schwere Konstruktion aus mannsdicken Stämmen, die ein gigantisches Fass trug. Brandzeichen an der Seite zeigten, dass es zum Einlagern von Rotspon benutzt werden sollte. Es war für das Zisterzienserkloster bei Reinfeld bestimmt und fasste sicherlich mehr als fünfundzwanzig Oxhoft.
Seine Vollscheibenräder waren mit etwas Schwarzem bespritzt. Sofort zückte Rungholt seine Gnippe und kratzte ein bisschen davon ab. Er roch daran und versuchte, es von der Klinge zu streichen. Es war Pech.
Stirnrunzelnd sah sich Rungholt die Konstruktion an. Da bemerkte er ein Glitzern auf der Ladefläche. Abermals bemühte er die Gnippe, hielt Marek die Klingenspitze entgegen.
»Muschelschlamm?«
Rungholt nickte. Der Schlamm war von der Ladung getropft und zwischen die Bretter der Ladefläche gelaufen.
»Meenkens hat tatsächlich seine eigene Magd entführt?«
»Wir müssen Dartzow Bescheid geben, Marek. Er sollte Meenkens in die Fronerei bringen.«
»In die Fronerei, zu all den verhungernden Dieben?«
»In den Keller. Ein heißes Eisen auf die Zunge, ein schöne peinliche Befragung.« Rungholt ging um den Wagen. »Die bringt ihn sicher zum Sprechen.«
Dieser Fall wurde immer eigenartiger. So recht konnte er nicht glauben, dass der alte Meenkens seine Magd und mindestens acht Kinder entführt hatte. Und dass er für das Ermorden, das Abschlachten von Peterchens Familie verantwortlich war, wollte auch nicht in Rungholts Schädel. Ich muss das alles notieren. Wir müssen mehr Fäden spannen, dachte er und suchte seine Kleider nach den Wachstafeln ab. Er hatte sie zu Hause vergessen.
»Na, dann rede doch gleich mit Kerkring.«
»Seit wann frönst du dem Humor, Marek? Du bringst mich wirklich zum Lachen.«
»Er durchsucht Meenkens’ Haus sicher mit Vergnügen, mein ich.«
»Mal sehen«, knurrte Rungholt. »Fällt dir was auf?«
Rungholts Freund sah erst aufs Fass, dann zu seinem Begleiter. »Du meinst die Ösen?«
»Hab noch nie ein Weinfass mit Ösen gesehen.« Stirnrunzelnd rieb sich Rungholt seine vernarbte Hand. Oben und unten, ringsherum laufend, hatte das Fass jeweils vier starke Metallösen. Jede groß wie eine Faust. »Sieht aus, als könnte man damit eine Klappe öffnen«, meinte Rungholt grübelnd.
»Im Fass? Meinst du? Vielleicht brauchen sie die Ösen, um dieses Monster in den Keller zu bringen und an die richtige Stelle zu ziehen?«
»Nein. Da rollt es doch.« Rungholt zuckte mit den Schultern. »Bier und Genever. Daran halt ich mich. Wein … Was kenne ich mich mit Wein aus?«
»Wenn du dem Weine ein wenig mehr zugeneigt wärst«, warf Marek geschwurbelt ein, »wäre deine Wampe nicht so ausladend, und Alheyd würde reichlich Stoff sparen.«
»Das sagst du mir? Einem gestandenen Brauer – ich soll mich an Wein halten?«
»Dir gehört die Brauerei nur. Was das Bier anbelangt …«
»He! Auf mein Bier lass ich nichts kommen.«
»Die Würze ist gar ein wenig bitter, wenn du mich …«
Mit einem plötzlichen Ruck packte Rungholt Marek und zog ihn hinter den Karren.
»He! Es war nur ein Spaß. Rungholt, bitte.« Marek hob beide Hände und schaute drein, als habe er tatsächlich Angst, Prügel zu beziehen.
»Es kommt wer«, zischte Rungholt. »Himmel. Glaubst du, ich schlage dich? Meinen Freund?«
Die beiden spähten unter den Ochsen hindurch und erkannten Meenkens, der mit einem anderen, sehr viel jüngeren Mann aus dem Haus trat. Der Unbekannte hatte Probleme mit seinen Stiefeln, die er im Haus anscheinend hatte ausziehen müssen. Es waren schwere Lederstiefel, deren Schaft über das Knie ging. Rungholt erkannte das eingefettete Lederwams, das der Mann ungewöhnlicherweise über dem Surkot trug. Seine schwarzen Augen suchten den Hof ab und blieben für Rungholts Geschmack ein wenig zu lange auf den schnatternden Gänsen haften.
»Poling. Das ist er doch.« Er drückte Marek tiefer in die Deckung und suchte den Mann mit seinem Blick nach Waffen ab, fand aber keine. Weder trug er ein Schwert noch einen Dolch. Zumindest hatte er nichts sichtbar angelegt.
Die beiden sprachen noch einige Worte miteinander, aber Rungholt konnte sie wegen des Gänsegeschnatters nicht verstehen. Schließlich verabschiedeten sie sich herzlich, und Poling eilte, eine Pergamentrolle gegen den Regen über den Kopf haltend, zum Wagen.
Hektisch sah sich Rungholt nach einem Versteck um, zögerte jedoch, auch unter den
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