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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Wir wechseln auf die andere Seite der Gasse, wenn wir d’ Alighieri begegnen – wie ehrbare Menschen – und leihen uns von ihm Geld, um anderen zu beweisen, wie strahlend und kräftig wir sind.
    Janusköpfiges Lübeck.
    Vielleicht gab es nur eine Möglichkeit, diesen Missstand zu beenden: den Januskopf abschlagen, beide Gesichter mit einem Streich auf den Grund der Trave schicken. Vielleicht hatte Gott Recht, wenn er seine Kirche, die ganze Stadt, das Haupt der Hanse absaufen ließ.
    Rungholt stand an einem der vierzig Altäre, nicht weit vom Lettner entfernt, in einer Gruppe Englandfahrer. Er ließ seinen Blick über die Kaufleute und weiter zu einigen Handwerkern schweifen. Eine Traube von gut einem Dutzend Männern hatte sich an der Kapelle des Bürgers Hermann Keiser eingefunden. Während ein Priester seine Messe hielt, tuschelten sie. Immer wieder fiel ein Seitenblick zu Rungholt. Er mochte ihre Blicke nicht.
    Ein paar Sätze ihrer Unterhaltung flogen durch den Lärm der Messen, Gebete und Streitereien. Ein weiterer Aufständler war gestern in der Depenau von einem Ratsmitglied namens Radkewitz erschlagen worden. Rungholt kannte ihn nur flüchtig. Radkewitz habe den Mann bei dem Versuch, einen Karren mit Schinken vom Hof zu klauen, gestellt und sein Schwert gezückt. Was mit dem ehrbaren Radkewitz geschehen sollte, würde morgen beschlossen werden. Kerkring hatte bereits das Schöffengericht auf den Marktplatz bestellt. Rungholt nahm nicht an, dass sie Radkewitz auf den Köpfelberg bringen würden. Immerhin hatte er einen Dieb gestellt, und auch wenn Selbstjustiz das Letzte war, was Kerkring und die Bürgermeister in der Stadt gebrauchen konnten, würden sie wegen einer solchen … Rungholt überlegte, um das richtige Wort zu finden… Lappalie sicher keinen der Ihren opfern. Andererseits hatte Rungholt Kerkring schon des Öfteren unterschätzt.
    War dies das Bauernopfer, das er brauchte, um die Massen zu besänftigen? Sicher nicht.
    Was würden sie wohl mit mir machen, dachte Rungholt, wenn sie Gryps’ Sickergrube aushöben … Wenn sie wüssten, dass ich bei der Töverschen war. Und sie meinetwegen verbrannte? Sein Blick suchte eines der übergroßen Heiligenbilder, die die Pfeiler schmückten. Christopherus, steh mir bei, dass ich nicht überraschend sterbe. Vorher sollte ich Buße tun. Zumindest das. Und wenn es bei Jakobus ist.
    Murmelnd bekreuzigte sich Rungholt.
    Wie die anderen Kaufleute, die nicht im Rat waren, durfte auch Rungholt nur für Bittschriften und Anträge in den Chor treten. Hier konnte er sie den Ratsleuten vortragen, die bereits im Chorgestühl Platz genommen hatten. An diesem grauen Morgen blieben zahlreiche Lücken auf den Holzbänken, und denjenigen Ratsmännern, die sich in die Kirche getraut hatten, war ihr Unbehagen anzusehen. Eine lange Schlange hatte sich vor ihnen aufgereiht. Die Bürger wollten ihre Anliegen vorbringen, und Rungholt konnte die Angst dieser bedeutenden Männer Lübecks förmlich riechen. Was, wenn drei Handwerker plötzlich mit Schwertern in der Hand vorsprangen? Für gewöhnlich dämmerten viele der Novgorod-, Schonen- und Bergenfahrer während der Morgenmesse vor sich hin, hatten den Kopf an das reichlich verzierte Gestühl gelehnt oder schnarchten gar. Heute jedoch sprangen ihre Blicke achtsam hin und her und schauten oft hin zu den sieben Riddere, die dezent am Lettner und nahe des Gestühls postiert waren.
    Rungholt wandte sich zu Marek um, der wissend nickte: »Ich hab sie auch gesehen.«
    »Glauben die, wir alle merken nicht, dass sie ihre Aufpasser dabeihaben und wie die Kinder schlottern?«, knurrte Rungholt und schüttelte den Kopf. Dies war nicht das richtige Vorgehen, um das Gesindel von Attentaten abzuhalten. Die Präsenz der Riddere schürte den Hass der Leute eher, als ihn zu besänftigen.
    Rungholt seufzte. Durch die Bogen des Lettners konnte er Dartzow und Kerkring erkennen, die sich zur Beratung hinter die mannshohe Wange des Gestühls zurückgezogen hatten. Immer wieder fuchtelte Kerkring mit den Händen in der Luft herum und versuchte Dartzow von etwas zu überzeugen.
    Der Geruch von Weihrauch wehte die Gedanken fort und ließ ihn zur Sakristei blicken, aus der die Messdiener aufmarschierten und ihr Weihrauchschiffchen schwangen. Jakobus ließ noch auf sich warten. Wahrscheinlich, dachte Rungholt schmunzelnd, hat er sich zwischen seinen Büchern verlaufen. Oder nahm dem schwachen Geschlecht noch die Beichte ab.
    Als Rungholt sich wieder zum

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