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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Antwort beiseite. »Hast du das nicht gehört?«
    »Was denn?«
    Da knackte es erneut. Rungholt fuhr es durch Mark und Bein, doch er hatte sich nicht bewegt. Es kam vom Feuer. Der Geselle hatte die Daube vergessen, die er hatte biegen wollen. Sie brannte bereits. Laut fluchend eilte der Böttcher hin. »Peter! Peter, komm sofort rein! Vergiss die Pferde!«
    So schnell es die Stufen zuließen, eilte Rungholt hinauf. Zwei Atemzüge später stand er vor Agnes’ Tür. Schnaufend holte er ein paar Mal Luft, dann legte er seine verbundene Hand auf das Türblatt. Es war nicht verschlossen.
    Sie waren Richtung Rathaus und weiter zum Kohlmarkt gefahren. Es fiel Marek nicht schwer, sich trotz des zunehmenden Regens festzuhalten. Die Ochsen schaukelten den schweren Wagen gemächlich durch die überschwemmten Straßen und mussten oft halten, weil die brusthohen Holzscheibenräder tief im Morast versanken.
    Bisher hatte Poling jedes Mal die Tiere mit einigen Schlägen und Tritten antreiben können, sich wieder ins Joch zu stemmen. Aber ständig befürchtete Marek, der Mann würde nach hinten kommen, um etwas unter die Räder zu schieben.
    Sie fuhren die Holstenstraße hinunter und passierten einen Tross Flagellanten. Singend und sich selbst mit Peitschen geißelnd, schritten die Büßerbrüder Richtung Stadttor. »Maria muter rainu mait«, drang ihr Singsang durch den Regen. »Erbarm dich uber die cristenhait. Erbarm dich uber dinu kint, du noch in disem elind sint …« An einigen von ihnen hingen die spärlichen Gewänder – die Alben und Pestkaseln aus hellem Leinen mit aufgenähten roten Streifen – in Fetzen herab, zerschnitten durch die Schläge. Ihre Blicke waren durchdringend und derart zornig, dass Marek kurz Angst hatte, sie würden ihn vom Karren zerren.
    Kurz darauf hörte er ein langgezogenes »Haaaalt« und war sich nicht sicher, ob es der Schiffbauer war, der seinen Ochsen Einhalt gebot. Als er ums Fass spähte, konnte er einen Soldaten erkennen, der sich vom Stadttor gelöst hatte und auf den Wagen zugetreten war. Der Wachhabende sah aus, als wäre er durch den Krähenteich geschwommen. Sein Lederwams triefte, und an seiner Nase lief das Wasser herab. Die hohen Lederstiefel starrten vor Dreck, der selbst auf seinen Waffenrock gespritzt war und die Hellebarde besudelt hatte.
    Poling ließ den Wagen ausrollen. Marek hörte, wie er die Wache begrüßte und dann vom Bock sprang. Sie würden also aus Lübeck hinausfahren. Natürlich. Hatte Rungholt nicht gesagt, es sei ein Fass für das Zisterzienserkloster in Reinfeld? Bis dahin waren es über zwei Meilen. Kaum befestigte Wege durch den Sumpf von Padelügge und abseits von Hof Hamberge entlang, geradewegs durch einen Abschnitt des Waldes, der noch nicht gerodet worden war.
    Nach dem Überfall der Bauern war Marek wenig begeistert, noch einmal in den dichten Wald einzutauchen. Poling trug kein Schwert, was sollte er gegen zwanzig hungrige Männer ausrichten? … Bei der Schlacht um Rungholts Konvoi hatte Marek mehr als neun Kameraden verloren – jeder dieser Männer handverlesen. Sie hatten keine Angst gekannt und zu kämpfen gewusst.
    Und wenn dieses Fass nicht fürs Kloster bestimmt war? Fuhren sie dann in ihr Versteck? Dort, wo sie die Kinder gefangen hielten? Hatten sie sie tatsächlich aus der Stadt gebracht? Mareks Blick wanderte noch einmal zum Fass. Eine schreckliche Ahnung überkam ihn. Das Fass. Es war perfekt, um jemanden darin einzusperren. Hockte vielleicht ein …
    Nein.
    Er musste nachsehen. Er würde es sich niemals verzeihen, nicht irgendwie das Fass geöffnet und nachgesehen zu haben. Vor seinem inneren Auge tauchte das Bild eines verängstigten Neunjährigen auf. An Händen und Füßen gefesselt, einen Lappen im Mund. Bei jedem Schlagloch wurde er in vollkommener Dunkelheit hin und her gerissen.
    Marek legte sein Ohr an das Fass.
    In der Hoffnung, sie werde nicht quietschen, drückte Rungholt die Tür mit seiner verbundenen Hand auf. Unvermittelt sah er sich einer großen Schrankwand gegenüber, dem Alkoven, in dem Agnes geschlafen hatte. Die Kammer war winzig, kaum größer als das große Fass auf dem Pechwagen. Ein ärmliches Loch hatte Meenkens seiner Magd zugeteilt. Die Längsseite nahm komplett der Alkoven ein, in dem nicht nur geschlafen, sondern auch gegessen und gearbeitet werden musste. Einen Tisch und einen Stuhl suchte Rungholt vergebens. Vor dieser Bettnische reichte der Platz bloß, um zu stehen. Ein Teil der Zimmerdecke war mit

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