Fly Me To The Moon - In seinem Bann 5: Sinnlicher Liebesroman (German Edition)
Wie schon öfter bei Bertolucci ging es in dem amourösen Geschwisterdrama um Weltflucht, Drogen, Inzest und Musik.
Es war dieser Zauber der Normalität, der mich diesen Kinoabend ganz besonders genießen ließ. Ians Arm lag auf so selbstverständliche Weise um meine Schultern und ebenso selbstverständlich kuschelte ich mich in seine Umarmung und tätschelte sein Knie. Es war ein wunderbares Gefühl, die erste, von Nervosität und Zweifeln geprägte Phase unserer Beziehung allmählich hinter uns gelassen zu haben, in der ich mich immer wieder gefragt hatte, ob ich für ihn nicht doch nur ein kurzfristiger Zeitvertreib war. Dass dem nicht so war, hatte Ian vor allem in den letzten Tagen auf so vielfache Weise eindrucksvoll bewiesen. Auch wenn ihn noch immer die Aura des Geheimnisvollen umgab, so war er mir doch ungemein vertraut geworden.
Obwohl es fast halb zwölf war, als wir die Spätvorstellung verließen, zeigte mir Ian im Anschluss auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin noch den Londoner Firmensitz der Reed Group in der Horseferry Street, ein beeindruckendes neoklassizistisches Palais mit sechs Etagen. Nur das puristische Messingschild wies das Gebäude als Head Office der Reed Global Luxury Hotel Group aus.
»Möchtest du mein Büro sehen?« fragte Ian.
»Ach du hast doch eins?« fragte ich mit gespieltem Erstaunen zurück.
Dann zückte Ian eine Magnetkarte und die große sicherheitsverglaste Tür öffnete sich wie von Geisterhand. Die kühle, marmorne Eingangshalle, in deren Zentrum sich der beeindruckende bis einschüchternde Empfangstresen befand, war sparsam mit einigen puristischen Wassily-Sesseln möbliert, an der Wand hing ein großformatiger Jackson Pollock und in die gegenüberliegende Wand eingelassen befand sich ein riesiger Flatscreen, auf dem lautlos eine Art Firmenvideo abgespielt wurde.
»Mr. Reed, Sir. Zu so später Stunde? Ist etwas passiert?« Die beiden Security-Männer, die wie zwei Jacks in the Box hinter der marmornen Rezeption hervorsprangen, wirkten alarmiert.
»Ich brauche nur ein paar Unterlagen aus meinem Büro«, erklärte Ian ruhig.
»Soll ich Sie nach oben begleiten, Sir?« fragte einer der Zweimeter-Hünen und erst jetzt erblickte ich die Waffe und das Walkie Talkie an seinem Gürtel.
»Nein, nicht nötig, John«, winkte Ian ab und führte mich zu einem der drei Aufzüge.
»Ich bin so selten hier, dass meine Mitarbeiter völlig irritiert sind, mich zu sehen«, grübelte Ian, während er seine Magnetkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz steckte und auf dem hypermodernen Bedienfeld Etage Sechs anklickte.
Oben angekommen erwartete uns die eleganteste Büroetage, die ich je gesehen hatte. Auch hier gab es einen schwarzmarmornen Empfangstresen, doch die großen Fenster, die weichen weißen Corbusier-Sessel, die üppigen Orchideen und die Gemälde von Lyonel Feininger gaben dem Raum eine ganz andere Atmosphäre als die riesige Halle im Erdgeschoss.
Ian führte mich durch einen Gang, der durch zwei weitere Glastüren unterbrochen wurde und zu dessen Seiten sich Türen mit den Aufschriften Executive Assistant und Administration Assistant befanden und öffnete dann die überbreite Tür zu seinem Büro. Wobei die Bezeichnung Büro diesen Räumlichkeiten mit ihrer Säulenloggia und Blick auf die Themse nur unzureichend gerecht werden konnte.
Um einen puristischen Kamin war eine Le-Corbusier-Sitzgruppe gruppiert, während Ians imposanter Art-Déco-Schreibtisch eindrucksvoll vor der Balkonfront positioniert war. An den Wänden hingen experimentelle, jeweils auf ihre Art prismatisch aufgelöste Architekturen und Stadtansichten von Lyonel Feininger, Robert Delaunay und Umberto Boccioni. Hinter einer gläsernen Schiebetür befand sich ebenfalls mit Themseblick ein ebenso eleganter wie intimer Konferenzraum mit einem ovalen Tisch und sieben cremefarbenen Sesseln.
»Wow!« brachte ich meine Begeisterung höchst unartikuliert zum Ausdruck. »Es ist umwerfend. Bist du wirklich so selten hier, wie du sagst? Hier kann man sich doch durchaus wohlfühlen«, ergänzte ich, nachdem ich die Sprache wiedergefunden hatte, mit Blick auf das Barcelona-Daybed von Ludwig Mies van der Rohe, das mit dem Laccio-Coffeetable von Marcel Breuer noch eine weitere Sitzeinheit bildete.
»Du kennst meine Nomadennatur. Ich arbeite lieber außerhalb von Büros und Sitzungssälen.«
Ich griff nach dem elegant wirkenden, silbergrau satinierten Katalog mit dem geprägten R -Logo der Reed-Hotels darauf, der auf
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