Flying Moon (German Edition)
kannte und mir wurde klar, dass sie sehr wohl bemerkt hatte, dass ich die letzte Nacht nicht in meinem Bett verbracht hatte.
Nach dem Dreh blieben wir alle bei Benno am Cateringwagen und setzten uns auf die Bierbänke, die vor seinem Wagen standen. Karl saß mir gegenüber, aber diesmal nahm ich es anders wahr. Er saß mir und Krista gegenüber und im Grunde war seine ganze Aufmerksamkeit auf sie gerichtet, während er mit mir herumalberte, und sich Gurkenscheiben von meinem Teller klaubte.
Am Abend lag ich alleine auf dem Bett. Ich versuchte zuhause jemanden zu erreichen, aber keiner ging ans Telefon. Alle waren weit weg, wie in einer anderen Welt. Ich musste mit Lion reden, fiel es mir ein. Aber gleichzeitig beruhigte ich mich. Meine Mutter hatte die Sache vermutlich schon vergessen. Auch Sophia erreichte ich nicht und war enttäuscht. Mit irgendjemand musste ich über alles reden. Über alles? Über Lasse. Ich sah, dass ich eine SMS von Johann erhalten hatte, sie war zwei Tage alt.
»Vermisse dich, melde dich mal.«
Ich tippte eine lange Antwort und löschte schließlich die Hälfte wieder. Es war unehrlich, Johann eine verliebte SMS zu schicken, gleichzeitig fehlte er mir wirklich. Zum Reden.
Schließlich versuchte ich, schon um zehn Uhr einzuschlafen, aber es gelang mir nicht. Irgendwann holte ich mir mein Reclamheft und las. Es ging um gute Geschichten und Dramen und wie man sie erzählte.
» Man muss auch bei den Charakteren – wie bei der Zusammenfügung der Geschehnisse – stets auf die Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit bedacht sein. « Meine Gedanken wanderten weiter. Was war wahrscheinlich? Dass Krista sich in Karl verliebte? Wohl eher nicht. Was folgte darauf? Ein Drama. Und wenn doch? Ebenfalls ein Drama. Und was passierte, wenn mein Vater erfuhr, dass ich hier mit Lasse drehte – genau. Im Sinne einer guten Geschichte war das alles in Ordnung. Aber ich war nicht darauf eingestellt, Teil einer Geschichte zu sein. Geschichten waren Dinge, die man sich über andere erzählte oder die in den Illustrierten standen, die Krista las.
Ich angelte mir eine der Zeitschriften, die vor ihrem Bett am Boden lagen. Auf dem Cover waren Hollywood-Stars in Abendgarderobe abgebildet. Als ob sie die ganze Zeit teure Kleider trügen, und mit wertvollem Schmuck behängt herumliefen. Ich blätterte durch die Zeitung und war hin- und her gerissen von der Trivialität des Inhalts und den Bildern, die etwas Märchenhaftes hatten. Sie gaben mir das Gefühl, jetzt genau dort zu sein. Auf einer glanzvollen Party, umgeben von gut gestylten Leuten. Fasziniert blätterte ich weiter.
Das Bild war klein. Es war Teil einer ganzen Collage von Bildern, eine Filmpremiere. Da war Lasse und er hielt ein Mädchen im Arm. Sie war zierlich, hatte eine winzige, totoperierte Nase und lächelte, als wären sie und Lasse schon so gut wie verheiratet. Mein Herz polterte sofort los. Eine Mischung aus Empörung, als dürfe es so etwas gar nicht geben, und Eifersucht, als wäre Lasse gerade in diesem Moment auf dieser Premiere. Was er natürlich nicht war. Das Bild war aber auch nicht so alt, dass man von Vergangenheit reden konnte. Mein Magen flimmerte, als müsse er ein Bild neu einstellen. Natürlich hatte er eine Freundin. Das war so selbstverständlich, wie Krista einen Freund hatte. Was hatte ich mir gedacht? Es war mehr als wahrscheinlich, aber ich hatte es nicht sehen wollen.
Lasse Paulsen und Agnes Loose bei der Frankreich-Premiere zu »Jein«.
Ich hatte noch nicht einmal von dem Film gehört. Geschweige denn von Agnes Loose. Dumme Ziege.
Mitten in der Nacht kam Krista. Sie roch nach Dope und einem süßen Parfüm und versuchte, leise zu sein, was ihr kein bisschen gelang. Ich stellte mich schlafend.
Am nächsten Morgen war ich komplett gerädert. Draußen dämmerte es und es regnete. Um fünf Uhr dreißig stellte ich mich unter die Dusche und versuchte, wach zu werden. Krista schlief noch und stöhnte, als ich aus dem Zimmer ging.
Benno hatte das Frühstück im Speiseraum aufgebaut. Als ich nach unten kam, war der Raum leer, bis auf Lasse, der vor seinem Laptop saß. Ich packte mir Obst und Croissants auf den Teller und ging in seine Richtung. Er sah auf. Auch er wirkte übermüdet.
»Wie geht´s?«, fragte er.
»Geht so. Wann bist du zurückgekommen?«
»Gestern, spät.«
Er schob den Bildschirm so, dass ich mitgucken konnte.
»Schau mal, das hab ich im Netz gefunden.«
Jugendlich provozieren Brand in Erziehungsheim.
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