FO 32 - neue SF 2
mit einer Art Schuldgefühl, einem Gefühl, daß die Brände in St. Louis etwas Reales waren, sie gefangen hielten – im Gegensatz zu dieser schönen Stadt, den Gemälden, den Parks.
spiegeling – Reflexion
lenig – geschmeidig, biegsam
goochelkunst – Jonglierkunst, Taschenspielerei
spietsen – aufspießen (Fische, Menschen, Verbrecher)
water – Wasser
Sehen, Sicht – gezicht, aanblick; vertoning, bezienswaardigheid, merkwaardigheid
Fisch – vis
störten – vergießen (Milch, Tränen, Blut),
schießen, einzahlen (Geld)
sex – geslacht, sekse, kunne; seksualiteit; adj. seksueel
helder – klar, hell, durchscheinend, sauber
Orangeessend lieben sie einander im Zimmer. Oh, liebster Schatz, dick, dünn, schön, Liebe, oh kip, oh, süße, nasse vork. Brust, Haut, kaas, o herrliche, schlüpfrige Liebe, naß, Mund, mond, vis, schweratmend in diesem Raum voller Orangen und Orangenduft, die Samen gleiten in den Falten deiner Haut entlang, die Säfte beschimmern deine silbrigen Flanken, o meine Fischliebe, mein vis, Blasen steigen zur Decke auf, zerplatzen und brechen sich an der Glühbirne, da du nun die Luft aus dem Wasser stößt, atmest, keuchst und schniefst.
Graham schlief ein und begann zu schnarchen, eine unheimliche Begleitmusik. Jess zündete sich eine Zigarette an; sie war seltsam aufgekratzt, vermochte sich noch nicht zu entspannen. Im Hinterkopf machte sich ein leichter Schmerz bemerkbar, das Zusammensein mit Graham hatte wieder einmal ein seltsames Aroma gehabt, einen Hauch von Verzweiflung. Die beiden Zimmer waren zu klein, diese Stadt, sie und Graham saßen sich zu sehr auf der Pelle. Das Gefühl der Panik, ein Lemminggefühl am Meeresstrand. Sie spürte, wie ihre Ehe, dieses zerbrechliche Gebilde, erzitterte, unter seinen grapschenden Händen zerbrach.
Sie rückte sich das Licht zurecht und las etwas und genoß dabei die Ruhe, das Fehlen von Reaktion und der Notwendigkeit des Reagierens. Eine Fliege summte im Zimmer. Graham grunzte neben ihr im Schlaf. Mit einem Menschen zu leben, sich die Ohren auszupolken, sich den Rasierapparat auszuleihen und gelegentlich eine Zahnbürste zu teilen, keine Bananen zu kaufen, gegen die er allergisch ist. Was für hübsches lockiges Haar, die verschiedensten Richtungen. Wenn man einen bestimmten Weg eingeschlagen hat, wann beginnen dann die Alternativen unter den Tisch zu fallen? Was war das hier neben ihr im Bett?
Die Kriegsbemalungen der amerikanischen Indianer (illustriert). Ihre Ehe war ein seltsames Untier gewesen, ein ganz eigenes seltsames Wesen. Sie hatte gehofft, daß Europa einige der Kluften schließen könnte, aber statt dessen.
Jess’ Schwester Sally, die blauäugige Sally. Drei Jahre jünger, schwirrte ein wenig durch die Gegend, vorwiegend an der Ostküste der Staaten. Ihre Eltern lebten noch immer in St. Paul, im gelben Haus, und ihr Vater lehrte an der Abendschule Geschichte. Die beiden, ihre Eltern, standen in ihrer Erinnerung nebeneinander auf irgendeiner Erhebung. Mutter hatte sich untergehakt, und beide starrten ins Leere wie Figuren auf einem Hochzeitskuchen. Nachdem sie Graham mehrmals von dieser Vorstellung erzählt hatte, war der Gedanke so stark geworden, daß sie bei ihrem letzten Besuch vor der Europafahrt unwillkürlich auf ihre Füße blickte, um nachzuschauen, ob sie vielleicht noch Reste von Zuckerguß an den Schuhen hätten. Ihre Mutter übersetzte Jess’ und Sallys Affären, ihr Kommen und Gehen, ihre Bekanntschaften in das Vokabular ihrer eigenen Zeit. In dieser Sprache wurde das düstere Tasten, wurden die Katastrophen hübsch und romantisch, so wie es sich in ihrer netten Welt gehörte. In ihrem Bekanntenkreis gab es Scheidungen, Autounfälle, Alkoholiker – aber die erschienen ihr stets wie Verirrungen, schwerwiegende Abweichungen von der Norm. Hier, an diesen Orten, bei diesen Leuten, dieser Generation war es das Gegebene, gehörte es dazu. Das persönliche Versagen, die schwierigen Entscheidungen, das Auseinandergehen. Ihre Mutter, die sie liebte, war stets traurig und verwirrt, daß sich ihre beiden Töchter, die als kleine Mädchen so süß gewesen waren, zu derart unglücklichen und heimatlosen Wesen entwickelt hatten. Daß sie nach eigenen Begriffen gar nicht so verloren waren, verstand sie nicht. Sie schickte ihnen Briefe und Geburtstagsgeschenke, betete Rachel an, sorgte sich um ihre Gesundheit, wenn sie mal zu Besuch kamen. Sie hoffte noch auf weitere Großkinder und eine magische Vorortwelt
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