Föhn mich nicht zu
der andere Aufseher. Dann konnte man hinterher darauf verweisen: «Aber der war doch näher dran
gewesen. Der hätte einschreiten müssen.» Manchmal rannten wir beide die fünf Stufen zu den überdachten Eingangsportalen hoch,
André vom Hof 1, ich vom Gebäude 2, wo uns von Lehrern, die im Inneren der Schule Aufsicht führten, der Zutritt verwehrt wurde.
Da André neben Englisch Sport unterrichtete, zog ich im Wegrennen zumeist den Kürzeren. Ich musste mir mithin noch eine andere
Taktik einfallen lassen. Eine Weile versuchte ich, verbotenes Verhalten einfach umzudeuten. Darauf kam ich, als ich eine Gruppe
von Jungen dabei beobachtete, wie sie einen Kreis bildeten, immer einen aus diesem in die Mitte nahmen, der sich dann von
ihnen hin und her stoßen und Schläge auf den Hinterkopf geben ließ. Das schien eine sportliche Aktivität zu sein, denn jeder
kam mal an die Reihe. Es war eben nicht alles schlimm, was danach aussah. Deswegen war es besser, zunächst nachzufragen, bevor
man etwas unterbinden wollte und sich damit einen Konflikt aufhalste. Wenn ein Schüler also Abfall einfach auf den Boden fallen
ließ, mir aber versprach, diesen bis zum Ende der Woche wieder aufzusammeln, gab ich mich mit der Versicherung zufrieden. |83| Wenn sich zwei Schüler prügelten, erkundigte ich mich beim Stärkeren, ob es nur Spaß wäre. Versicherte mir dieser Schüler,
dass es so sei, auch wenn der Loser dies vehement bestritt, schritt ich nicht ein. Allerdings sah die Schulleitung meiner
Aufsichtsstrategie nicht lange tatenlos zu. Ich wurde zum Direktor zitiert, und Herr Stern legte mir dringend nahe, in meinem
eigenen Interesse meine Pflichten ernster zu nehmen.
Und jetzt die fünf Flaschenfußballer. Ich hätte sie gern auf den kleinen Aschenbodensportplatz verwiesen, der gegenüber der
Turnhalle lag und die beiden Höfe trennte. Aber da spielten schon andere. Und außerdem änderte das nichts an der Gefährlichkeit
der Pulle. Warum war ich bloß so blöd gewesen, bei der amtsärztlichen Untersuchung darauf hinzuweisen, dass ich mich trotz
meiner Klumpfüße ganz gut bewegen könne? Hätte ich mir für die Untersuchung nicht einen Rollstuhl borgen können? Dann wären
mir Aufsichten erspart geblieben, so wie Frau Wenzel, die derart viel Übergewicht hatte, dass sie nie den Raum wechseln musste
und als einzige Lehrerin sechsundzwanzig Unterrichtsstunden in der Woche nicht einmal vom Lehrerstuhl aufstand.
«Gebt die Flasche bitte her! Das ist gefährlich.»
Der flaschenführende Schüler dachte gar nicht daran. Er fing an, vor mir mit der Pulle zu dribbeln. Es war klar, dass er mich
dazu provozieren wollte, zu versuchen, ihm den Glasgegenstand abzuluchsen. Angesichts meiner fußballerischen Fähigkeiten war
ich weise genug, mich nicht darauf einzulassen. Das hätte nur dazu geführt, dass ich hilflos fünf Schülern hinterhergejagt
wäre, die mit mir als Statisten den restlichen 495 Schülern ihre Fußballtricks hätten vorexerzieren können.
«Hey!», rief ich stattdessen in Anspielung auf sein Herumgetanze. «Ich wusste gar nicht, dass du noch mal zur Schule gehen
wolltest, DJ Bobo. Läuft’s mit der Musik nicht mehr so?» Leider kannte keiner der Schüler mehr DJ Bobo. Sie fingen an mich
zu |84| verhöhnen, als Feigling zu bezeichnen. Für einen Augenblick ließ mich darum der flaschenführende Schüler aus den Augen. Das
war meine Chance. Ich machte einen Satz nach vorne, grätschte nach dem PE T-Behälter , rutschte an diesem vorbei und mähte dafür mit meinen stahlbesohlten orthopädischen Schuhen den Schüler um. Schreiend fiel
er zu Boden. Er stand auch nicht wieder auf, sondern hielt sich krümmend das Schienbein.
«Steh auf, Andy Möller! Du Simulant!», scherzte ich.
Niemand verstand meinen Gag. Die Schüler waren wohl auch dafür einfach zu jung. Jetzt würde ich doch noch zur Schulleitung
müssen. Aber denen würde Andy Möller ja hoffentlich etwas sagen.
Lehrerzimmer, Montag, zwischen vierter und fünfter Stunde, typisches Gespräch zwischen Referendaren
Ich: Hast du am Wochenende Zeit?
Christina: Ein bisschen. Wieso? Lehrprobe?
Ich: Ja! Ich würd mich gern mal mit dir treffen, um mit dir über meinen Unterrichtsentwurf zu sprechen. Dauert auch nicht länger
als zwei Stunden. Denk ich.
Christina: Okay! Kommste am Sonntag zu mir.
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«Holen Sie doch einfach mal im Unterricht die Zeitung raus!»
«Überraschen Sie Ihre Schüler doch mal,
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