Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
Vom Netzwerk:
der andere Aufseher. Dann konnte man hinterher darauf verweisen: «Aber der war doch näher dran
     gewesen. Der hätte einschreiten müssen.» Manchmal rannten wir beide die fünf Stufen zu den überdachten Eingangsportalen hoch,
     André vom Hof 1, ich vom Gebäude 2, wo uns von Lehrern, die im Inneren der Schule Aufsicht führten, der Zutritt verwehrt wurde.
    Da André neben Englisch Sport unterrichtete, zog ich im Wegrennen zumeist den Kürzeren. Ich musste mir mithin noch eine andere
     Taktik einfallen lassen. Eine Weile versuchte ich, verbotenes Verhalten einfach umzudeuten. Darauf kam ich, als ich eine Gruppe
     von Jungen dabei beobachtete, wie sie einen Kreis bildeten, immer einen aus diesem in die Mitte nahmen, der sich dann von
     ihnen hin und her stoßen und Schläge auf den Hinterkopf geben ließ. Das schien eine sportliche Aktivität zu sein, denn jeder
     kam mal an die Reihe. Es war eben nicht alles schlimm, was danach aussah. Deswegen war es besser, zunächst nachzufragen, bevor
     man etwas unterbinden wollte und sich damit einen Konflikt aufhalste. Wenn ein Schüler also Abfall einfach auf den Boden fallen
     ließ, mir aber versprach, diesen bis zum Ende der Woche wieder aufzusammeln, gab ich mich mit der Versicherung zufrieden. |83| Wenn sich zwei Schüler prügelten, erkundigte ich mich beim Stärkeren, ob es nur Spaß wäre. Versicherte mir dieser Schüler,
     dass es so sei, auch wenn der Loser dies vehement bestritt, schritt ich nicht ein. Allerdings sah die Schulleitung meiner
     Aufsichtsstrategie nicht lange tatenlos zu. Ich wurde zum Direktor zitiert, und Herr Stern legte mir dringend nahe, in meinem
     eigenen Interesse meine Pflichten ernster zu nehmen.
    Und jetzt die fünf Flaschenfußballer. Ich hätte sie gern auf den kleinen Aschenbodensportplatz verwiesen, der gegenüber der
     Turnhalle lag und die beiden Höfe trennte. Aber da spielten schon andere. Und außerdem änderte das nichts an der Gefährlichkeit
     der Pulle. Warum war ich bloß so blöd gewesen, bei der amtsärztlichen Untersuchung darauf hinzuweisen, dass ich mich trotz
     meiner Klumpfüße ganz gut bewegen könne? Hätte ich mir für die Untersuchung nicht einen Rollstuhl borgen können? Dann wären
     mir Aufsichten erspart geblieben, so wie Frau Wenzel, die derart viel Übergewicht hatte, dass sie nie den Raum wechseln musste
     und als einzige Lehrerin sechsundzwanzig Unterrichtsstunden in der Woche nicht einmal vom Lehrerstuhl aufstand.
    «Gebt die Flasche bitte her! Das ist gefährlich.»
    Der flaschenführende Schüler dachte gar nicht daran. Er fing an, vor mir mit der Pulle zu dribbeln. Es war klar, dass er mich
     dazu provozieren wollte, zu versuchen, ihm den Glasgegenstand abzuluchsen. Angesichts meiner fußballerischen Fähigkeiten war
     ich weise genug, mich nicht darauf einzulassen. Das hätte nur dazu geführt, dass ich hilflos fünf Schülern hinterhergejagt
     wäre, die mit mir als Statisten den restlichen 495   Schülern ihre Fußballtricks hätten vorexerzieren können.
    «Hey!», rief ich stattdessen in Anspielung auf sein Herumgetanze. «Ich wusste gar nicht, dass du noch mal zur Schule gehen
     wolltest, DJ Bobo. Läuft’s mit der Musik nicht mehr so?» Leider kannte keiner der Schüler mehr DJ Bobo. Sie fingen an mich
     zu |84| verhöhnen, als Feigling zu bezeichnen. Für einen Augenblick ließ mich darum der flaschenführende Schüler aus den Augen. Das
     war meine Chance. Ich machte einen Satz nach vorne, grätschte nach dem PE T-Behälter , rutschte an diesem vorbei und mähte dafür mit meinen stahlbesohlten orthopädischen Schuhen den Schüler um. Schreiend fiel
     er zu Boden. Er stand auch nicht wieder auf, sondern hielt sich krümmend das Schienbein.
    «Steh auf, Andy Möller! Du Simulant!», scherzte ich.
    Niemand verstand meinen Gag. Die Schüler waren wohl auch dafür einfach zu jung. Jetzt würde ich doch noch zur Schulleitung
     müssen. Aber denen würde Andy Möller ja hoffentlich etwas sagen.
    Lehrerzimmer, Montag, zwischen vierter und fünfter Stunde, typisches Gespräch zwischen Referendaren
    Ich: Hast du am Wochenende Zeit?
    Christina: Ein bisschen. Wieso? Lehrprobe?
    Ich: Ja! Ich würd mich gern mal mit dir treffen, um mit dir über meinen Unterrichtsentwurf zu sprechen. Dauert auch nicht länger
     als zwei Stunden. Denk ich.
    Christina: Okay! Kommste am Sonntag zu mir.

|85| 13
«Holen Sie doch einfach mal im Unterricht die Zeitung raus!»
    «Überraschen Sie Ihre Schüler doch mal,

Weitere Kostenlose Bücher