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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Serin
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statt gleich mit Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen zu antworten. Das wirkt oft Wunder.
     Wenn Ihre Klasse, nachdem es zur Stunde geklingelt hat, nicht zur Ruhe kommt, dann schreien Sie nicht, verteilen Sie keinen
     Tadel, sondern setzen Sie sich einfach mal hin, holen Sie Ihre Zeitung oder ein Buch raus und fangen Sie an zu lesen. Sie
     werden sehen, die Schüler werden schneller ruhig, als Sie glauben. Weil Sie etwas tun, mit dem die Schüler nicht rechnen.
     Und weil Sie ihnen dadurch vor Augen führen, dass es ihre Lernzeit ist, die ihnen verloren geht, nicht die des Lehrers.»
    Diese Empfehlung gab mir Herr Schubert, nachdem ich ihm davon berichtet hatte, dass es mir oft schwer falle, am Anfang der
     Stunde die Aufmerksamkeit der Schüler zu gewinnen, wodurch sich der Beginn des Unterrichts regelmäßig erheblich verzögere.
     Eigentlich handelte es sich für mich dabei nicht nur um ein Problem beim Einstieg. Vielmehr misslang es mir auch immer wieder
     während der Stunde, die Schüler bei der Stange zu halten. Aber mit so einem Eingeständnis durfte ich natürlich nicht an meinen
     Hauptseminarleiter herantreten. Denn dies wäre von ihm als mein Unvermögen gedeutet und mit dem wenig hilfreichen, aber dafür
     umso demütigenderen Hinweis bedacht worden, Aufmerksamkeit sichere man sich am besten durch guten Unterricht. Für den Anfang
     der Stunde konnte man wenigstens geltend machen, dass die Schüler noch gar nicht die Gelegenheit gehabt hatten, zu erkennen,
     wie gut der Unterricht in dieser Stunde sein würde.
    |86| Ich hatte Herrn Schubert zuvor über meine gegen die Unruhe unternommenen Schritte in Kenntnis gesetzt, um mein Bemühen zu
     unterstreichen: Vergabe von Verwarnungen und Tadeln sowie spontane Kurztests. Die Maßnahmen waren nicht gänzlich ohne Wirkung
     geblieben, aber mich interessierte, ob es nicht auch andere Vorgehensweisen gab, solche, mit denen man die Jugendlichen weniger
     gegen sich aufbrachte. Zu meinen bisherigen Aktionen war von Herrn Schubert auch nur unwirsch bemerkt worden:
    «Verweisen Sie besser auf die Unterrichtsregeln! Das haben wir im Seminar doch schon besprochen.»
    «Es geht ja leider nicht um einzelne Schüler, sondern um Unruhe in der ganzen Gruppe. Ich hab natürlich auf die Regeln verwiesen.
     Aber wenn alle unruhig sind? Ich hab schon den Eindruck, dass da unangekündigte Tests einen gewissen disziplinierenden Effekt
     haben.»
    «Na ja.» Herr Schubert hatte missbilligend das Gesicht verzogen. «Dazu sollten Sie nicht immer gleich greifen. Das tun Lehrer
     gern. Dabei gibt es bessere Methoden. Versuchen Sie es doch einfach mal anders!»
    Und nach diesen belehrenden Worten hatte er ausgeholt und den Überraschungscoup mit der Zeitung und dem Buch ins Spiel gebracht.
     Und wie immer, wenn er uns einen Rat gab, untermauerte er diesen mit den Erfahrungen aus seiner eigenen Zeit als Lehrer: «Ich
     hab das früher wiederholt mit Erfolg praktiziert. Die Knilche sind sofort verstummt. Und wissen Sie, einmal habe ich vor meinen
     Schülern sogar Boccaccios
Dekameron
gelesen. Da haben die geschaut. Die hatten mich vorher für einen steifen, verklemmten und freudlosen Oberstudienrat gehalten.
     Von da an genoss ich ihren Respekt.»
    Herrn Schuberts Unterrichtserfahrungen lagen, wie ich mittlerweile wusste, ein paar Jahrzehnte zurück. Und erst vor zwei |87| Wochen war ich mit der von ihm empfohlenen Trennung in Lehrkraft und Disziplinator in der 9b gegen die Wand gefahren. Aber
     warum sollten seine Rezepte nicht auch hin und wieder funktionieren? Ich beschloss, seinen Ratschlag bei der nächsten Gelegenheit
     auszuprobieren. Diesmal in meiner Zehnten in Französisch. Die war sehr unruhig, mir aber nicht so böse gesonnen wie momentan
     meine Neunte.
    Die folgende Stunde bei ihnen begann wie üblich, nur dass ich in diese mit dem festen Vorsatz ging, auf einen spontanen Vokabeltest
     zur Disziplinierung zu verzichten.
    «Paul, es hat geklingelt. Gehst du bitte an deinen Platz!   … Ahmet, du auch!   … Paul, was hab ich gesagt?   … Nein, den kannst du nach der Stunde zum Mülleimer bringen!   … Ja, dann hättest du das eben vor dem Klingeln tun sollen!   … Essraa, jetzt wird nicht mehr gesungen!   … Ach, Mahmoud! Schön, dass du auch schon kommst   … Paul! Paul!! Paul!!!   … Ahmet!!!! Nein!   … Doch!   … Dann gib ihr jetzt das Taschentuch, aber mach schnell!   … Nein, wir schreiben keinen Test!   … Es hat geklingelt!!   … Ich würde

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