Folge dem weißen Kaninchen
wie wir es tun? Um diese Frage zu beantworten, ersann der britische Mathematiker und einer der Begründer der Informatik Alan Turing den
Turing-Test
, der besagt: Wenn man einen Computer nicht von einem Menschen unterscheiden kann, dann kann der Computer denken. Turing hat als Beispiel ein Gespräch zwischen Mensch und Maschine vorgeschlagen. Da nicht jeder Computer ein Sprachmodul hat, muss man sich das wie einen Online-Chat vorstellen. Wer Chatrooms kennt, mag sich schon einmal gefragt haben, ob die fragmentarischen Antworten des Gegenübers von einem echten Menschen kommen oder von einem raffinierten Programm. Solche Programme gibt es schon länger: Im Chat auf der Webseite eines großen schwedischen Möbelhauses berät Anna die Besucher. Sie hat auf viele Fragen eine Antwort, unter anderem darauf, ob sie ein Mensch sei. Hier antwortet Anna ganz ehrlich: «Ich bin Software.» Schnell merkt man, dass sich ihre Antworten mechanisch wiederholen. Anna würde also den Turingtest für Gespräche nicht bestehen. Wenn es jedoch um Schachspielen geht, bestehen Computer den Turingtest ohne Probleme. Ein durchschnittlicher Schachspieler kann ein Programm allenfalls daran erkennen, dass er ständig verliert. Aber selbst wenn ein Computer den Turingtest für eine ganz normale Unterhaltung bestehen würde, hieße das, dass er denken kann, also Bewusstsein hat?
Der amerikanische Philosoph John Searle verneint diese These mit dem wohl meistdiskutierten Gedankenexperiment der jüngeren Philosophie, dem
Argument des chinesischen Zimmers
. Searle lädt seine Leser ein, sich in die Lage eines Computers zu versetzen, der Chinesisch verstehen soll. Stellen Sie sich vor, Sie befänden sich in einem Zimmer, in dem ein riesiges Buch mit chinesischen Zeichen liegt. Die Zeichenketten auf der linken Seite sind Fragen, die auf der rechten Seite Antworten. Wenn Sie kein Chinesisch können, verstehen Sie nicht, was da geschrieben steht. Sie sehen nur fremdartige, kalligraphisch geschwungene Tintenstriche. Von außen werden nun Zeichenketten hineingereicht, die Sie im Buch nachschlagen müssen. Die entsprechenden Antworten geben Sie dann heraus. Natürlich ist das Buch so umfangreich und so gut geschrieben, dass die Antworten immer perfekt zu den Fragen passen. Vielleicht werden Sie mit der Zeit auch so geübt, dass Sie gar nicht mehr nachschauen müssen, wie die Antworten aussehen. Für die chinesischen Beobachter außerhalb des Raumes entsteht so der Eindruck, Sie verstünden Chinesisch. Sie würden also den Turing-Test für das Chinesische bestehen. Sie selbst verstehen natürlich kein Wort. Ein Computer, so Searle, befinde sich nun genau in Ihrer Situation. Auch er hat ein Buch, nämlich ein Programm, und liefert einen Output zu einem Input. Wenn Sie als Bio-Computer kein Chinesisch verstehen, dann versteht aber auch kein anderer Computer in Ihrer Situation Chinesisch, denn alle Computer sind grundsätzlich gleich leistungsfähig: Man muss denen mit den langsamen Chips einfach nur etwas mehr Zeit lassen.
Searle bringt sein Argument so auf den Punkt: Zeichenketten nach formalen Regeln zu prozessieren reicht nicht aus, um auch die Bedeutung dieser Zeichen zu verstehen. Er hat dieses Argument später noch weiterentwickelt, denn die Bedeutung eines Satzes zu erfassen heißt, ihn zu verstehen, und das ist etwas, was im Bewusstsein geschieht. Noch anders gesagt: Mit Computern kann man geistige Prozesse
simulieren
, aber man
erzeugt
sie dadurch nicht. Niemand glaubt, dass ein Computerprogramm, das einen Sturm simuliert, tatsächlich die Baumkronen schwanken lässt und die Herbstblätter durcheinanderwirbelt, genauso wenig wie man in einem Swimmingpool voller Tischtennisbälle, die Wassermoleküle simulieren, tatsächlich nass werden kann. Das gilt laut Searle auch für die Sprachprogramme unserer Digitalcomputer: Sie simulieren bloß menschliches Verhalten, aber sie denken nicht, verstehen nichts und haben kein Bewusstsein.
Einige Kritiker haben Searle mangelnden Realismus vorgeworfen, da das menschliche Gehirn im Gegensatz zu einem Computer in einen Organismus eingebettet sei, der mit der natürlichen Umwelt interagiere. Diesen Einwand schmettert Searle ab: Wenn sich das chinesische Zimmer im Kopf eines Riesenroboters mit Kameraaugen und Greifarmen befände, würde die Person dadurch immer noch kein Chinesisch verstehen. Es ist auch keine Frage der Komplexität, denn selbst wenn das chinesische Zimmer mit Milliarden von Menschen gefüllt
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