Folge dem weißen Kaninchen
. Jahrhundert auf sich warten. Erst in der Aufklärung erschienen freimütig atheistische Werke, wenn auch oft unter Pseudonymen oder posthum. Zwei der prominentesten Atheisten unserer Zeit sind Dawkins und der Journalist und Stand-up-Comedian Bill Maher. Dawkins argumentiert in seinem Weltbestseller
Gotteswahn
so scharfsinnig gegen alle Aspekte der Glaubenssysteme, dass man dem kaum noch etwas hinzufügen kann. In seinem Dokumentarfilm
Religulous
aus dem Jahr 2008 entlarvt Maher bissig und doch humorvoll die Vertreter der großen Weltreligionen.
Mit einem Augenzwinkern schreibt Dawkins, dass eigentlich jeder Mensch Atheist sei. Auch der hingebungsvollste Katholik glaubt nicht an Baal, Apoll, Osiris oder Odin. Der langen Götterliste, so Dawkins, füge er selbst nur noch einen weiteren Eintrag hinzu: Gott. Im Übrigen sprechen vor allem repräsentative Studien dafür, Atheist zu sein: Je höher Bildung und Intelligenz, desto seltener sind Menschen gläubig, auch wenn der Ausdruck «Schriftgelehrter» einen gegenteiligen Zusammenhang nahelegt.
Auf den ersten Blick mag der von der Wissenschaft inspirierte Atheismus wie ein weiteres Glaubenssystem wirken, das auf derselben Stufe wie beispielsweise das Christentum steht, immerhin verteidigen Vertreter beider Strömungen leidenschaftlich ihre Überzeugungen, von deren Wahrheit sie überzeugt sind. Einige Sozial- und Kulturwissenschaftler, denen zufolge die Wissenschaft das «Wahrheitsprimat» von der Religion übernommen hat, sind an dieser Gleichstellung nicht ganz unschuldig.
Religion und Wissenschaft haben jedoch allenfalls oberflächliche Gemeinsamkeiten. In der Wissenschaft stellt man aufgrund von Hinweisen Hypothesen auf, die man mit methodisch kontrollierten Experimenten und unabhängigen Studien überprüft. Man verwirft Theorien, die
falsifiziert
sind, sich also als falsch erwiesen haben. Im Wissenschaftsbetrieb werden diejenigen geächtet, die Ergebnisse fälschen oder andere Prinzipien der Redlichkeit verletzen. Religionen gehen genau umgekehrt vor. Sie stellen Behauptungen auf, ohne jegliche Hinweise zu haben, sie erkennen keine Gegenbeispiele an und sind nicht falsifizierbar. Zumindest im katholischen Religionsbetrieb werden diejenigen entlassen, die die Lehre in Frage stellen wie der katholische Professor Hans Küng, der sich mit der
Stiftung Weltethos
international für den religiösen Dialog einsetzt. Immerhin nur entlassen, muss man hinzufügen, denn früher drohten Folter, Verstümmelung oder Exekution. In anderen Erdteilen können Religionskritiker noch heute froh sein, wenn ihnen die Obrigkeiten bloß den Mund verbieten.
Eine falschverstandene Toleranz gegenüber «alternativen Erklärungsmodellen» kann ganz handfeste Folgen haben, vor allem wenn es um den Biologieunterricht geht. Mit zunehmender Vehemenz verschaffen sich Kreationisten Gehör, die überzeugt sind, die biblische Schöpfungsgeschichte sei wörtlich wahr. Einer Umfrage des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts
Gallup
zufolge halten etwa die Hälfte aller Amerikaner den Kreationismus für wahr und nur ein Fünftel die reine Evolutionstheorie. In einer Umfrage des Nachrichtenmagazins
Newsweek
aus dem Jahr 2007 gaben etwa 16 Prozent aller Biologielehrer in den USA an, den Kreationismus statt der Evolutionstheorie für wahr zu halten. Auch in Europa geht einiges schief. Im Jahr 2004 hat die serbische Bildungsministerin die Evolutionstheorie aus den Schulbüchern streichen lassen, weil sie «dogmatisch» sei. Im Jahr 2006 sprach sich Polens Bildungsminister offen gegen die Evolutionstheorie aus. Selbst eine hessische Kultusministerin glaubte, die Schöpfungsgeschichte stelle eine Alternative zur Evolutionslehre dar. Damit ist sie nicht allein. In Deutschland leben nach Schätzungen des Biologenverbandes etwa 1 , 3 Millionen Kreationisten.
Von weiteren «Alternativen» scheinen die Kreationisten allerdings nichts wissen zu wollen. Man könnte in Zukunft die alchimistische Lehre vom Stein der Weisen als Alternative zum Chemieunterricht anbieten oder Hesiods
Theogonie
statt Physik auf den Lehrplan setzen. Hesiod zufolge sind der Tag, die Nacht und das Firmament aus dem Götterurvater Chaos entsprungen, dem personifizierten Nichts. Chaos’ Tochter, die Erde Gaia, gebiert nach einer unbefleckten Empfängnis ihren Sohn Uranos, mit dem sie wiederum Kronos zeugt, der seinen Vater und Halbbruder mit einer Sichel entmannt. Das klingt doch mindestens so spannend wie das Gesetz des
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