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Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
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kann dem Universum Sinn verleihen.» Das ist ein offensichtlicher
Anthropomorphismus
, eine Übertragung menschlicher Ziele und Zwecke auf die Natur oder das Universum. Der Mensch baut Uhren zu einem Zweck, aber Tiere oder Planeten sind nicht nach einem Bauplan entworfen. Sie sind durch die Evolution oder andere kausale Prozesse entstanden. Wir haben zwar die Neigung, alles zu vermenschlichen, indem wir Pläne, Absichten und Zwecke in alles hineindeuten, aber daraus darf man keine substanziellen Thesen ableiten. Der Computer «spinnt» nicht buchstäblich, und wenn der Motor mal nicht anspringen «will», dann hat er deshalb noch keinen Verstand.
     
    In subtilerer Form taucht die anthropomorphe Sichtweise in der These vom
intelligenten Design
wieder auf, die Brandmüllers These ähnelt. Anhänger dieser Auffassung meinen, die Entstehung des Universums sei so unwahrscheinlich gewesen, dass der Entwicklung nur ein göttlicher Bauplan zugrunde gelegen haben kann. Wären nur winzigste Variablen in den ersten Hundertstelsekunden nach dem Urknall oder in der frühen Erdbiosphäre anders gewesen, es hätte niemals geistbegabte Wesen im All gegeben. Das Problem an dieser Auffassung ist: Wahrscheinlichkeiten sind nur auf Prozesse innerhalb des Universums anwendbar, nicht auf das Ganze. Bei einem exakten Würfel ist die Chance, eine Drei zu würfeln, eins zu sechs. Stellen Sie sich vor, Sie würden mit Gott um ein bewohnbares und fünf unbewohnbare Universen würfeln. Dann wäre Ihre Chance, das bewohnbare zu bekommen, ebenfalls eins zu sechs. Aber wir haben keine anderen Universen vorliegen, und Gott würfelt bekanntermaßen nicht. Wir haben lediglich unsere Phantasie, in der wir unser Universum verändern. Wir können uns düstere unbewohnbare Welten in Millionen Variationen vorstellen, aber daraus folgt nicht, dass die Chance, in einer bewohnbaren zu leben, eins zu einer Million ist. Und selbst wenn: Warum sollte unser komplexes Universum eher für Gott sprechen als ein weniger komplexes?

Gottes Wort in unserm Ohr
    Gläubige lassen sich außer von den genannten Argumenten noch von weiteren Überlegungen einnehmen. Viele überzeugt beispielsweise das Alter, der Duktus oder der Inhalt der religiösen Schriften. Immerhin steht in der Thora, der Bibel und dem Koran, dass es sich um Jahwes, Gottes und Allahs Wort handele. Aber auch in der fabelhaften Welt der Odyssee bittet der Sänger Homer, eine göttliche Muse möge ihm eine Geschichte erzählen, und das etwa 800  Jahre vor den Evangelien und 1400  Jahre vor dem Koran. Und selbst wenn eine der Schriften von Gott selbst diktiert worden wäre: Welche heutige Ausgabe ist die richtige? Nach dem Stille-Post-Prinzip des Abschreibens haben sich die Fassungen immer wieder geändert. Noch schwerer wiegt der Einwand der Widersprüchlichkeit und der historischen Fehler, beispielsweise im
Neuen Testament
. Die römische Volkszählung und Herodes’ Massaker an den Neugeborenen sind frei erfunden. Bei Matthäus liegen 28  Generationen zwischen Jesus und seinem Urahnen David, bei Lukas sind es 41 . Nicht einmal über die Namen der Großeltern herrscht bei beiden Einigkeit. Wer hat nun Gottes Wort korrekt in menschliche Prosa übertragen? Das Motiv der jungfräulichen Geburt und des Täufers kursierte ohnehin schon Jahrhunderte zuvor in den mediterranen Mythen. Warum war Gott, der sonst auf Einzigartigkeit so viel Wert legt, da nicht etwas exklusiver? Wer schließlich meint, im Duktus der Bibelübersetzung Gottes Stimme zu vernehmen, der muss sich fragen, ob er nicht vielleicht schon als Kind konditioniert wurde, eine gewisse Ehrfurcht dem biblischen Tonfall gegenüber zu empfinden.
    Wenn man an Wunder glauben will, dann entdeckt man sie zuhauf, nicht nur in der Bibel, sondern auch in der Gegenwart. Aber natürlich gibt es Wunder nur in der Lesart von «großem Glück». Wer die Rettung eines Babys nach dem asiatischen Tsunami vom 26 . Dezember 2004 für eine himmlische Intervention hält, der soll auch erklären, warum über 200 000 Menschen sterben mussten, damit Gott uns dieses Zeichen sandte. Wieso überhaupt der Umweg über Wunder: Könnte er nicht einfach zu allen Menschen sprechen? Dann wäre doch die Sache ein für alle Mal geklärt. Die Bibelwunder kann man ohnehin nicht ernst nehmen. Wenn wir eines sicher wissen, dann das: Niemand kann seinen eigenen Tod überleben, genauso wenig, wie Büsche sprechen können, ganz gleich, ob sie nun brennen oder nicht. Das gilt auch für

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