Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
her und weg von den Gästen.
„Was fällt dir ein, hier aufzukreuzen in diesem Aufzug! Du hast hier nichts verloren! Ich habe gesagt, noch einmal, und du bist gefeuert! Ich rede mit Herrn Garbach. Du kannst heute noch deine Sachen packen!“, fauchte Gundula und Krissi sah zu Boden und ihre Schultern zuckten. Sie weinte.
„Danke!“, rief jemand.
Gundula ließ Krissis Hand los und sah auf einmal ganz freundlich aus. Krissi wirkte gleichgültig, als sie den Kopf hob, und obwohl Daniela wusste, dass es sich um Schauspiel handelte, war sie erstaunt, wie die beiden so schnell hin- und herschalten konnten.
„Okay, die drehen wir. Alles auf Anfang!“
Die Schauspieler begaben sich auf ihre Startpositionen.
„Kamera!“
„Läuft!“
„Ton!“
„Läuft!“
„Komparsen bitte Bewegung! Und bitte!“
Die Komparsen regten sich und versuchten, sich wie Gäste eines Balls zu verhalten. Daniela atmete einmal durch und dann lächelte sie und bewegte sich, wie sie es zu Hause geübt hatte. Aber es fiel ihr sehr schwer. Der Impuls, sich nach Kiran umzusehen, war stark. Er stand sicher irgendwo weiter hinten im Studio. Sie rief sich ins Bewusstsein, dass er sie vielleicht sah. Es war möglich, dass er die Komparsen beobachtete, während er nicht an der Reihe war. Und deshalb musste sie jetzt alles geben. Auf diesen Moment hatte sie sich jahrelang vorbereitet und sie durfte jetzt nicht versagen, weil sie neugierig und unkonzentriert war.
Krissi lief los, Gundula fing sie ab, schimpfte und dann war die Szene schon wieder vorbei.
Pia rief „Danke!“ und alle entspannten sich wieder.
Der Regisseur winkte Tobias heran und sagte etwas zu ihm. Tobias nickte, dann wandte er sich an die Komparsen.
„Wir müssen das noch mal machen, weil einige von euch zur Kamera geguckt haben. Ich sage es noch mal! Niemand, absolut niemand schaut in die Kamera! Seht ihr das Objektiv, dann sieht es auch euch, klar?“
Daniela fühlte sich gut. Sie hatte nicht zur Kamera geschaut und das würde ihr auch nicht passieren. Die Szene wurde wiederholt und diesmal ging alles glatt, aber der Regisseur entschied, noch eine weitere Aufnahme zu machen, zur Sicherheit.
„Danke!“, schrie Pia und Christian kicherte.
Die Aufnahme wurde nochmals wiederholt und dann folgte ein kurzer Moment, in dem alle auf das Okay der Regie warteten.
„Check!“, kreischte Pia. „Wir bauen um! Alle bleiben an ihrem Platz!“
Tobias ging auf Pia zu und redete auf sie ein. Er zeigte auf die Komparsen und Pia machte ein genervtes Gesicht. Sie schüttelte den Kopf. Sie sprachen noch ein paar Sekunden und machten hektische Gesten, dann ergriff Tobias das Wort.
„Zehn Minuten Umbaupause! Danach ist jeder wieder an seinem Platz. Jetzt bitte alle das Set freimachen! Danke!“
Die Komparsen setzten sich in Bewegung und gingen leise redend und teilweise kichernd Richtung Ausgang. Daniela folgte ihnen und hielt nach Kiran Ausschau. Unterwegs wurde sie von Murath und Christian überholt. Und dann sah sie ihn. Kiran stand keine fünf Meter entfernt und Murath lief auf ihn zu und gab ihm ein High-Five.
„Das war’s, Alter!“, sagte er. „Ich hab’s hinten gesehen! Hast du was gehört?“
„Ja, eindeutiges Wortgefecht. Zählt hundertprozentig!“, sagte Kiran und lachte, dass Daniela Gänsehaut bekam. Patricia kam zu der Gruppe und reckte den Daumen hoch.
„Zählt! Ich hab’s auch gehört“, sagte sie. „Jetzt bin ich wieder nicht eingestiegen, schöner Mist.“
„Du lernst einfach nichts dazu, Curly. Du bist kein Zocker. So was muss man im Blut haben“, sagte Kiran und stieß sie leicht an die Schulter.
„Von wegen kein Zocker. Ich hab letzte Woche fett abgesahnt“, sagte Patricia. Sie kniff Kiran in die Seite und er zuckte zusammen.
Daniela hielt wieder die Luft an. Patricia hatte ihn angefasst, sogar gekniffen. Unvorstellbar. Kiran schien diese Ungeheuerlichkeit nichts auszumachen, denn er grinste zufrieden.
„Na ja, komm … fett ist relativ“, sagte er zu Patricia. „Du musst deinen Killerinstinkt noch entwickeln.“
„Hör gefälligst auf, meine Wetterfolge zu relativieren“, antwortete sie.
Daniela wurde sich bewusst, dass sie sich nicht mehr bewegt hatte und die Gruppe anstarrte. Patricia bemerkte sie und sah sie an.
„Hast du was?“, fragte sie. „Ist dir schlecht?“
„Nein“, sagte Daniela schwach. „Ist nur mein Schuh. Ich dachte, ich hab was im Schuh, aber da … da ist nichts.“
„Sind die neu?“, fragte Patricia.
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