Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
Daniela nickte automatisch. Es fiel ihr schwer, weil Kiran sie jetzt auch ansah. Er hatte sie bemerkt. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah er sie bewusst an.
Daniela hatte das Gefühl, dass sich ihr Blickfeld einschränkte, wie ein Tunnel, an dessen Ende er stand. Und jemand hielt ihren Kopf fest und zwang sie, ihn durch diesen Tunnel anzusehen.
„Du musst sie erst einlaufen, dann wird’s besser“, sagte Patricia. „Aber die sehen klasse aus. Wo hast du die her?“
Daniela sah sie irritiert an. „Ich … äh … Internet“, sagte sie. Sie bewegte den rechten Fuß und spürte, wie ihr der Schuh entglitt. Sie machte einen unbeholfenen Schritt nach vorne. Sie hing fest, aber der Tunnelblick erlaubte ihr nicht, das Hindernis wahrzunehmen. Daniela stolperte. Kiran und Murath streckten reflexartig die Arme aus, aber Murath war etwas schneller.
„Hoppla, schöne Dame!“, sagte er und grinste sie an. „Hier liegen überall Kabel rum. Augen auf!“
Murath stellte sie wieder auf die Beine. Daniela wusste gar nicht, wie ihr geschah. Verwirrt sah sie zu ihm auf und dann trat Kiran vor sie hin. In seiner Hand lag ihr Schuh.
„Hier, den hast du verloren“, sagte er. Seine Augen, so wunderschön. Er stand so nahe vor ihr, dass sie seinen Duft wahrnahm. Das war zu viel für Daniela. Schwindel überkam sie und sie merkte, dass jemand sie festhielt und Patricia einen leisen Schreckensruf ausstieß.
„Setzt sie hierhin! Auf die Kiste!“ Patricias Stimme. Um Daniela drehte sich alles.
„Hey, alles klar mit dir?“ Sie sah Patricias Gesicht vor sich. „Sollen wir einen Arzt rufen?“
„Nein!“, stieß Daniela mühsam hervor. „Nein, auf keinen Fall! Auf keinen Fall einen Arzt. Ich hab nur zu wenig getrunken. Mir geht’s bestens. Wirklich.“
„Attila, hol ihr mal ein Wasser, bitte“, sagte Patricia und Daniela brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass Murath gemeint war. Natürlich. In Wirklichkeit hieß er nicht Murath.
Attila verschwand und kam nur Sekunden später mit einer kleinen Flasche Wasser zurück.
„So, und jetzt runterbechern, mein Täubchen“, sagte er und Daniela nahm das Wasser. Sie trank und spürte, wie es ihr sofort besser ging. Viel besser.
„Und jetzt noch den Schuh wieder anziehen und dann geht’s wieder“, sagte Kiran und Daniela konnte nicht glauben, was dann geschah. Kiran ging vor ihr auf ein Knie.
„Fuß ausstrecken“, sagte er und Daniela streckte wie in Trance ihren Fuß ein wenig nach vorne und schob ihn in den Schuh. In seine Hand. Seine Finger berührten ihre Haut für den Bruchteil einer Sekunde.
„Ey, Gott sei Dank bin ich keine Frau und muss mit so was rumlaufen“, sagte Christian.
Kiran lächelte sie an und Daniela lächelte zurück. Sie konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber es fühlte sich wie das glücklichste Lächeln ihres Lebens an, das zu dem schönsten Moment ihres Lebens passte.
„Am besten bleibst du noch hier sitzen. Jungs … haut mal kurz ab, okay?“, sagte Patricia.
„Kein Ding, bis später!“ Christian und Attila wandten sich ab.
„Gut“, sagte Kiran. „Dann bis gleich.“ Er lächelte, erhob sich und folgte den beiden. Daniela sah ihm nach. Sie begriff nicht, warum Patricia Kiran fortschickte und fühlte Ärger in sich aufsteigen.
„Sag mal, bist du schwanger?“, fragte Patricia sie in mütterlichem Tonfall. „Wenn ja, dann solltest du vielleicht nach Hause gehen. Das wird noch anstrengend heute.“
„Ich bin nicht schwanger!“, sagte Daniela und hörte, wie schroff ihre Stimme klang.
„Okay …“, sagte Patricia. „Alles klar … dann ruh dich einfach ein bisschen aus.“
Sie stand auf und ging dorthin, wo Kiran mit den beiden anderen verschwunden war.
Daniela saß auf der Kiste und bemühte sich, ihre Gefühle zu sortieren.
Das Unglaubliche war geschehen und wer wusste schon, wie es weitergegangen wäre, wenn Patricia Kiran nicht von ihr getrennt hätte! Kiran schien sie zu mögen oder wenigstens interessiert zu sein. Sie hatte mehr erreicht, als sie für möglich gehalten hatte. Und jetzt? Es war theoretisch möglich , dass sie sein Interesse erregen konnte. Theoretisch möglich . Zum Greifen nahe lag die Chance vor ihr. Aber was konnte sie jetzt tun? Ihn einfach ansprechen? Dazu fehlte ihr der Mut, der Grund und überhaupt … sie war sicher nicht die Komparsin, die Kiran belästigte und deshalb auf Attilas Liste abgehakt wurde. Auf gar keinen Fall …
Sie sah sich um, konnte Kiran aber nicht sehen zwischen
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